Nach dem 2. Weltkrieg

Die flämisch-wallonischen Spannungen nahmen nach dem Ende des 2. Weltkriegs deutlich zu. Sie entzündeten sich vorrangig an der flämischen Kollaboration mit Kriegsgegner Deutschland und der Rolle von König Leopold III.

Zwar hatte es auch in der Wallonie eine faschistische Bewegung  - die Rexisten um Léon Degrelle - gegeben, die mit Hitler kollaboriert hatte, aber die flämische Kollaboration mit dem Nationalsozialismus wurde als tiefergehend empfunden. Einflussreiche Kreise der Flämischen Bewegung hatten mit der deutschen Besatzung zusammengearbeitet.

Die Königsfrage im Jahr 1950 offenbarte die unterschiedliche Sensibilität der Flamen und der Wallonen bei der Bewältigung der jüngsten Kriegsvergangenheit. Die wallonische Seite hielt König Leopold III. sein Verhalten im 2. Weltkrieg gegenüber Nazi-Deutschland vor. Die wichtigsten Vorwürfe gegen den König lauteten:

  • Seine Neutralitätspolitik habe Hitler zum Überfall auf Belgien ermutigt;

  • Er sei nicht mit der belgischen Regierung nach London ins Exil gegangen;

  • Er habe nichts gegen die Deportation belgischer Arbeitskräfte nach Deutschland unternommen.

Eine Untersuchungskommission konnte diese und andere Vorwürfe entkräften. In einer Volksbefragung im Jahr 1950 sprachen sich dann zwar nur

  • 42 Prozent der Wallonen, aber

  • 72 Prozent der Flamen und damit

  • 57,7 Prozent der gesamtbelgischen Bevölkerung

für die Rückkehr des Königs auf den Thron aus.

Als die Regierung die Wiedereinsetzung von Leopold III. veranlassen wollte, brach ein Generalstreik in der Wallonie aus. Belgien stand am Rande eines Bürgerkriegs. Der König verzichtete deshalb zugunsten seines Sohns Baudouin I. auf den Thron.

Wirtschaftliche Zerrissenheit tritt offen zutage

In den 50er Jahren führte der Niedergang der Schwerindustrie dazu, dass viele wallonische Unternehmen unrentabel arbeiteten und Beschäftigte entlassen mussten. Gleichzeitig erlebte Flandern einen wirtschaftlichen Aufstieg: Dort gab es ein niedrigeres Lohniveau und höhere Wirtschaftsinvestitionen, z.B. in die Hafeninfrastruktur von Antwerpen, Gent und Zeebrügge.

Die Wirtschaftskrise und die Winterstreiks 1961-1962 legten die wirtschaftliche Zerrissenheit des Landes endgültig offen:

  • Ende 1960 sollte das sogenannte Einheitsgesetz die Steuern erhöhen und die Staatsausgaben drastisch verringern.

  • Die sozialistische Gewerkschaft rief daraufhin Streiks in der Wallonie aus. Die streikenden Arbeiter forderten nicht nur die Rücknahme des Einheitsgesetzes, sondern auch die wirtschaftspolitische Autonomie der Wallonie.

  • Die Streiks wurden von schweren Ausschreitungen begleitet; es gab sogar Tote.