Fachworkshop

Ostbelgiens regionale Identität - kernprägnant, aber nicht randscharf!

Am Montag, dem 24. Mai 2022, arbeiteten im Kloster Heidberg in Eupen verschiedene Fachleute zum Thema ‚Regionale Identität und Eigenständigkeit‘ zusammen. Coach Ursula Stein berichtet im Podcast über den Workshop.

Ein Straßenschild mit dem Begriff „Heimat“ steht vor einem unscharfen Hintergrund.

Heimat, Region und Identität sind Begriffe, die vielfältig diskutiert werden und Ostbelgier, Unternehmer, Politik sowie Kulturschaffende intensiv beschäftigen. Die stets prägnanter werdende Eigenständigkeit Ostbelgiens in einer globalisierten Welt bringt einige Fragen, Herausforderungen und Chancen mit sich, die in dem Workshop engagiert und kooperativ herausgearbeitet worden sind.

Im Workshop beschäftigten sich die Teilnehmer mit den Unterthemen:

  • Tourismus

  • Freizeit / Kultur / Ehrenamt

  • Heimat und Identität

  • Regionales Bauen und Baukultur

Fazit

  • Tourismus dient der Identitätsstiftung und sollte den Einheimischen ebenso wie den Gästen nutzen:

Tourismus ist ganz besonders geeignet, Landschaft und Baukultur in der Tradition einer ländlichen Region zu stützen. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass touristische Infrastruktur und Attraktionen auch der einheimischen Bevölkerung zugutekommen und als wichtiger Standortfaktor für Unternehmen dienen. Indem man sich auf die eigenen Stärken und ein regionales Profil besinnt, wird durch Tourismus die regionale Identität geschärft und ins Bewusstsein von Einwohnenden und Gästen gebracht. Somit bietet ein nachhaltiger Tourismus in beide Richtungen Vorteile: eine attraktive Infrastruktur für die Einheimischen und Wertschöpfung für die Region.

Wichtig ist es zukünftig aber, das touristische Profil Ostbelgiens herauszuarbeiten und zu kommunizieren – nach innen wie nach außen. Nachhaltigkeit ist dabei die Maxime, der die Tourismusplanung folgen sollte, denn: Nur wenn es gelingt, die Besucherströme so zu managen, dass keine Overtourism-Effekte entstehen, kann Ostbelgien auch für die Einheimischen attraktiv bleiben. Ein zentraler Aspekt ist dabei, die Effekte des Tourismus besser messen zu können, um darauf aufbauend, entsprechende Maßnahmen zu erarbeiten. Es bedarf zukünftig also einer besseren Datenbasis, um solide Entscheidungen treffen zu können.

  • Freizeit, Kultur und Ehrenamt weiter stärken und an die sich veränderten Gegebenheiten anpassen:

Regionale Identität drückt sich auch in der Verbundenheit der Menschen untereinander aus. In Ostbelgien gibt es bereits starke Kooperationen zwischen den Menschen, die sich in einem aktiven Vereinsleben und lebendigen Dorfgemeinschaften ausdrücken.

Ostbelgien als ländlicher Raum mit urbanen Ausprägungen, in dem moderne gesellschaftliche Entwicklungen stattfinden, muss neue Möglichkeiten des Miteinanders finden. Heutzutage haben viele Menschen mehrere Zugehörigkeiten, sind flexibel oder nur temporär in der Gemeinschaft verankert. Unflexible und dauerhafte Vereinsstrukturen sind dafür nicht immer geeignet, es sollten neue Wege des gemeinschaftlichen Agierens gefunden werden.

Zudem wurde konkret diskutiert, ob und wie Schulen und außerschulische Lernorte stärker zur Vernetzung beitragen können, indem dort auch außerhalb der Unterrichtszeiten kulturelle oder pädagogische Angebote stattfinden können. Dies könnte ein Beitrag dazu sein, ländliche Infrastrukturen mit neuem Nutzen zu versehen.

  • Heimat und Identität - kernprägnant werden, aber nicht randscharf sein:

Administrative Grenzen sind nicht identitätsstiftend, sondern grenzen ab. In einem offenen Europa ist dies nicht zielführend. Stattdessen gilt es, sich für andere zu öffnen und dadurch das Mitmachen zu ermöglichen, ohne die regionalen Eigenheiten zu verlieren.

Gerade in Ostbelgien ist die Mehrsprachigkeit eine große Chance sowie eine Herausforderung. Die Teilnehmenden betonen, dass die Sprachkompetenz als besondere Eigenschaft gepflegt werden sollte, denn sie ist eine Bedingung für additive Kultur und führt zu Kooperation sowie vernetztem Arbeiten in Ostbelgien und mit den Nachbarregionen. Sie bietet eine große Chance, innerhalb Europas ein eigenständiges Profil zu haben und trägt wesentlich zur Kernprägnanz Ostbelgiens bei.

  • Regionales Bauen und Baukultur als Brücke zwischen Tradition und Moderne entwickeln:

Ostbelgien ist historisch betrachtet eine ländliche Region. Heute entwickeln sich in diese Ländlichkeit urbane Lebensformen hinein, die Chance und Herausforderung zugleich sind. Die Städte und Orte in Ostbelgien stehen vor der Herausforderung, diesen Brückenschlag zu bewältigen und dabei ein eigenes Profil zu bewahren.

Somit entsteht bezüglich der Baukultur der Wunsch nach gemeinsamer Orientierung und gleichzeitig ortsspezifischer Ausformulierung. Ziel der Teilnehmenden ist es, eine partizipative Baukulturkampagne aufzusetzen, in der gute Beispiele zeigen, wie neue Akzente gesetzt und das Regionale weiterentwickelt werden können, ohne das Traditionelle zu verlieren.

Ursula Stein berichtet für Sie im Podcast ‚Ostbelgien leben 2040 – Regionale Identität und Eigenständigkeit‘ ausführlich über diese und weitere Inhalte. Viel Freude beim Zuhören!

Ablauf

Am Workshop nahmen Organisationen und Verbände, Mitarbeitende des Ministeriums und ein Bürgerbotschafter teil.

Der Tag startete mit einem Impulsvortrag durch die externe Beraterin Ursula Stein. Diese stellte im Workshop Rückfragen, gab Kommentare hinzu und setzte Impulse. Sie regte die Teilnehmenden dazu an, den Blick in die Zukunft zu richten und sich mit der Identität Ostbelgiens auseinanderzusetzen.

Die Teilnehmer griffen die Ziel- und Maßnahmenkataloge, die aus einer umfassenden Analyse eines extern beauftragten Büros hervorgingen, auf und entwickelten diese weiter. Hervorzuheben sind die darin enthaltenen zahlreichen Ideen und Anregungen, die Schlüsselpersonen in Interviews und die Ostbelgier in einer Online-Befragung und fünf Themenwerkstätten im Jahr 2021 einbrachten.