Sitzung vom 16. März 2023

Entwurf eines Dekrets über die bedarfsgeleitete Arbeitsvermittlung

1. Beschlussfassung : 

Die Regierung verabschiedet in dritter und letzter Lesung den Dekretentwurf über die bedarfsgeleitete Arbeitsvermittlung.

Die Ministerin für Kultur und Sport, Beschäftigung und Medien wird beauftragt, den Entwurf im Parlament zu hinterlegen.

2. Erläuterungen: 

Mit dem vorliegenden Dekretentwurf wird ein Rahmen für kohärente und effiziente Arbeitsvermittlung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft geschaffen. Die effiziente Begleitung und Vermittlung von arbeitsuchenden Personen trägt zur Steigerung der Beschäftigungsrate bei, sie fördert die sozial-berufliche Teilhabe der Bürger und wirkt dem Fachkräftemangel entgegen. 

Für diese Ziele ist es unerheblich, ob die arbeitsuchenden Personen das Anrecht auf Arbeitslosengeld erwirkt haben oder nicht. Mehr noch - es wäre achtlos, arbeitsuchende Personen ohne Ersatzeinkommen oder mit anderen Ersatzeinkommen in der öffentlichen Begleit- und Vermittlungsarbeit zu benachteiligen oder gar auszuschließen. Dieser Dekretentwurf wird von dem Gedanken getragen, dass Menschen auf ihrem Weg ins Berufsleben entsprechend ihres Bedarfs unterstützt werden sollten, unabhängig von ihrem Anrecht auf Ersatzeinkommen. 

Dabei ist die Qualität der Begleit- und Vermittlungsangebote entscheidend. Auch hier setzt das Dekret einen Rahmen. Es fördert die qualitative Weiterentwicklung der Begleit- und Vermittlungsarbeit, zum Beispiel über die Strukturierung grundlegender Prozesse oder die Systematisierung des Zusammenspiels von Evaluation und Weiterentwicklung. Zudem fördert das Dekret die kontinuierliche und somit nachhaltige Begleitung durch den sogenannten Referenzberater. 

Darüber hinaus schafft dieses Dekret den Rahmen für ein neues Praktikumsstatut, welches ebenfalls allen Arbeitsuchenden offen steht. Es kann auch zur Berufsorientierung von Schülern und beschäftigten Personen genutzt werden. 

Das Dekret regelt folgende Aspekte:

Die Eintragung als Arbeitsuchender in ein elektronisches Register:

Im ersten Kapitel wird die Eintragung der Arbeitsuchenden in ein elektronisches Register beschrieben. Die Eintragung ist der administrative Startpunkt für das gezielte Anbieten öffentlicher Dienstleistungen. Jede arbeitsuchende Person, die Zugang zum Arbeitsmarkt hat, kann sich eintragen lassen. Bestimmte Gruppen von Arbeitsuchenden sind zur Eintragung verpflichtet. Die Eintragung in das Register sollte in erster Linie als Türöffner zu den öffentlichen Dienstleistungen verstanden werden.  

Die bedarfsgeleitete Arbeitsvermittlung:

In diesem Kapitel wird eine Dienstleistung für Arbeitsuchende beschrieben, die den Namen „bedarfsgeleitete Arbeitsvermittlung“ trägt. An diese Dienstleistung sind erhöhte Ansprüche gebunden, zum Beispiel mit Blick auf die Qualität oder die Kontinuität der Begleitung, der Datenerfassung oder der Auswahl der Vermittlungsangebote. Mit Vermittlungsangeboten sind Stellenangebote, Aus- und Weiterbildungsprogramme, Praktika, Integrationsmaßnahmen, Bewerbungstraining sowie jegliche Förderprogramme für Arbeitsuchende gemeint.   

Diese Dienstleistung kann vom Arbeitsamt oder von einem für diese Dienstleistung anerkannten Vermittlungsdienst umgesetzt werden.

Die Umsetzung der bedarfsgeleiteten Arbeitsvermittlung kann Voraussetzung für den Zugang zu ausgewählten Vermittlungsangeboten der Deutschsprachigen Gemeinschaft sein. 

Die Entwicklung der bedarfsgeleiteten Arbeitsvermittlung:

In diesem Kapitel werden Regeln zur Arbeitsmarktanalyse und statistischen Erfassung festgehalten. Zudem wird das Arbeitsamt dazu verpflichtet, ein Umsetzungskonzept mit Blick auf die bedarfsgeleitete Arbeitsvermittlung zu erstellen. 

Die Vermittlung in ein Praktikum:

Ziel dieses Kapitels ist es, die Bedingungen für die Vermittlung in ein Praktikum festzulegen. Dieses Praktikum kann beispielsweise der Berufsorientierung dienen oder die Vermittlungschancen eines Arbeitsuchenden erhöhen.

Zur Zielgruppe des neuen Praktikumsstatutes gehören alle Arbeitsuchenden, unabhängig davon, ob sie ein Ersatzeinkommen beziehen und von welchem Vermittlungsdienst sie begleitet werden. Neben den Zielgruppen der aktuellen Praktikumsmaßnahmen des Arbeitsamtes (Arbeitsplatzerprobungspraktikum, Berufsorientierungspraktikum) und der Dienststelle der Deutschsprachigen Gemeinschaft für selbstbestimmtes Leben (Orientierung im Betrieb) können auch weitere Personen dieses Praktikum absolvieren und auf diesem Wege praktische Erfahrungen außerhalb eines formalen Lehrplans sammeln.

Die Kontrolle der Suchbemühungen:

Dieses Kapitel regelt die Kontrolle der Suchbemühungen jener Arbeitsuchenden, die Arbeitslosengeld oder die Berufseingliederungszulage beantragt haben oder erhalten.  Die Grundlage der Kontrolle der Suchbemühungen ist im sogenannten föderalen normativen Rahmen verankert, der Teil des Königlichen Erlasses vom 25. November 1991 zur Regelung der Arbeitslosigkeit ist. 

3. Finanzielle Auswirkungen

Es entstehen keine Kosten für die Deutschsprachige Gemeinschaft. 

4. Gutachten  

Das Gutachten des Finanzinspektors vom 10. März 2023 liegt vor.

Bemerkungen zum Gutachten der Datenschutzbehörde

Die Datenschutzbehörde stellte am 9. September ihre Gutachten Nr. 176/2022 aus. 

Im Rahmen dieses Gutachtens prüfte die Behörde den Vorentwurf auf die Gesetzmäßigkeit der Datenverarbeitungen (I), auf die Zweckmäßigkeit (II), auf die Verhältnismäßigkeit (III), auf das Vorhandensein von Verarbeitungsverantwortlichen (IV) und auf die Angemessenheit der Aufbewahrungsfristen (IV).

I. Gesetzmäßigkeit

Hinsichtlich der Artikel 35 und 39 des Dekretvorentwurfs, die die Vorlage eines Auszugs aus dem Strafregister in den von der Regierung festgelegten Fällen vorsehen, bemerkt die Behörde, dass ausschließlich eine gesetzliche Norm diese Fälle vorsehen darf (Bemerkung 13). Diese Bemerkung wird zur Kenntnis genommen und die entsprechende Delegation, die vorsah, dass die Regierung die Situationen bestimmt, in denen ein Auszug aus dem Strafregister vorgelegt werden muss, gestrichen. Es wird darauf hingewiesen, dass ein neuer Artikel 45, der die Verarbeitung der Daten im Rahmen der Vermittlung in ein Praktikum regelt, in den Entwurf eingefügt wurde und diesbezüglich auch die Zweckbestimmung vorsieht, die die Verarbeitung der Daten auf dem Auszug aus dem Strafregister regelt. Es versteht sich von selbst, dass sich die Verarbeitung der Daten auf dem Auszug aus dem Strafregister nur im Rahmen dieser doch deutlichen Zweckbestimmung bewegen darf.

II. Zweckmäßigkeit

Die Datenschutzbehörde stellt fest, dass lediglich die Artikel 45 und 47 des Vorentwurfs die verschiedenen Zweckbestimmungen enthalten, aber weitere Zweckbestimmungen in verschiedenen Artikeln des Vorentwurfs verstreut sind (Bemerkung 17). An sich hält die Datenschutzbehörde diese Vorgehensweise nicht für problematisch, allerdings seien aus ihrer Sicht einige der verstreuten Zweckbestimmungen nicht vollständig, deutlich oder stichhaltig genug. Hierauf wird im Folgenden eingegangen: 

 

Das Führen des elektronischen Registers gemäß Artikel 47 §1 Absätze 1 und 2 ist aus Sicht der Behörde keine annehmbare Zweckbestimmung (Bemerkung 19). Aus dem Grund wurde die Datenverarbeitung des Registers nun durch Artikel 6 geregelt. Die Zweckbestimmung der daraus hervorgehenden Datenverarbeitung wird durch Artikel 6 §1 Absatz 2 und §2 mit der nötigen Präzision geregelt.

Auch die „Durchführung von Arbeitsmarktanalysen“ gemäß Artikel 47 §1 Absatz 3 des Vorentwurfs sei nicht ausreichend stichhaltig (Bemerkung 20). In Artikel 30 des Entwurfs wurde die von der Datenschutzbehörde vorgeschlagene Formulierung eingefügt.

Die Datenschutzbehörde bemerkt in Bezug auf den Auszug des Strafregisters und der Gesundheitsdaten, dass die Zweckbestimmung der damit einhergehenden Datenverarbeitung klarer aus dem Dekret hervorgehen muss (Bemerkungen 21-23). Wie bereits hiervor dargelegt, regelt nun jedes Kapitel separat die notwendigen Datenverarbeitungen. Jeder Datenschutzartikel legt die genauen Zweckbestimmungen fest, im Rahmen derer die gerichtlichen Daten und die Gesundheitsdaten bei der Eintragung in das elektronische Register verwendet werden dürfen. Der neue Artikel 16 §3 regelt dies für die bedarfsgeleitete Arbeitsvermittlung und Artikel 45 für das Praktikum.

III. Verhältnismäßigkeit

Die Datenschutzbehörde wünscht sich, dass die im elektronischen Register verarbeiteten Daten nicht jedem Mitarbeiter zur Verfügung stehen, sondern nur solchen, die diese auch benötigen (Bemerkung 28). Diese Empfehlung wurde durch eine Neuformulierung des Artikels 52 des Entwurfs umgesetzt.

Auf Bitten der Datenschutzbehörde wurde im Kommentar erläutert, warum die Nationalregisternummer, die Familiensituation und die Daten zu relevanten Freizeitbeschäftigungen und Interessen notwendig sind (Bemerkung 30). Es wurde ebenfalls eine Ermächtigung an die Regierung vorgesehen, die Daten aus den verschiedenen Datenkategorien weiter zu präzisieren (Bemerkung 31).

Hinsichtlich der Gesundheitsdaten und der gerichtlichen Daten wurde auf Empfehlung der Datenschutzbehörde präzisiert, dass diese für die Vermittlung relevant sein müssen (Bemerkung 31).

In Artikel 52 wurde ein Hinweis auf die Pseudonymisierungsvorgaben eingefügt (Bemerkung 36).

IV. Verarbeitungsverantwortliche

Der Datenschutzbehörde verlangt, dass Gesundheitsdaten nur durch eine Fachkraft der Gesundheitspflege verarbeitet werden dürfen (Bemerkung 38). Aus verwaltungstechnischen Gründen ist dies nicht möglich. Wie in anderen Bereichen findet die Verarbeitung dieser Daten unter der Verantwortung einer solchen Fachkraft statt, die Mitarbeiter selbst werden durch organisatorische und vertragliche Maßnahmen dazu verpflichtet, diese Daten genauso zu schützen, als unterstünden sie selbst dem Berufsgeheimnis.

V. Aufbewahrungsdauer

Der Datenschutzbehörde scheint die in Artikel 49 des Vorentwurfs vorgesehene Aufbewahrungsdauer von 10 Jahren unverhältnismäßig (Bemerkung 44). Jedes Kapitel regelt nun separat die notwendige Aufbewahrungsdauer.

Bemerkungen zum Gutachten des Staatsrats 

Der Staatsrat erteilte am 28. November 2022 zum vorliegenden Dekretentwurf das Gutachten Nummer 72.360/4.

Hinsichtlich der Formvorschriften merkte der Staatsrat an, dass der Dekretvorentwurf nicht Gegenstand eines Gutachtens des Finanzinspektors war. Dieses Gutachten wurde nachträglich eingeholt.

Anschließend machte der Staatsrat zwei allgemeine Bemerkungen zum vorliegenden Text: Einerseits stellte er fest, dass aktuell ein anderer Dekretentwurf in Bearbeitung sei, der das Schaffungsdekret des Arbeitsamtes vom 17. Januar 2002 ersetzt. Der vorliegende Text dürfe sich seiner Ansicht nach nicht auf Rechtstexte beziehen, die noch nicht verabschiedet sind. Die Verweise auf das neue Schaffungsdekret wurden aus diesem Grund durch Verweise auf das existierende Schaffungsdekret ersetzt und werden nötigenfalls anlässlich der Verabschiedung eines neuen Schaffungsdekrets entsprechend abgeändert.

Andererseits wünscht sich der Staatsrat einen ausdrücklichen Verweis auf die IAO-Abkommen Nummer 88 und die Empfehlung 83. Die Begründung wurde dahingehend erweitert. Das Abkommen Nummer 88 sieht die Einrichtung einer öffentlichen Arbeitsmarktverwaltung vor, die sich allgemein an Stellensuchende richtet.  

In den besonderen Bemerkungen zu den einzelnen Artikeln regt der Staatsrat Folgendes an: 

- In Artikel 21 solle der Bezug auf das Dekret vom 11. Mai 2009 ‚über die Zulassung der Leiharbeitsvermittler und die Überwachung der privaten Arbeitsvermittler‘ gestrichen werden und stattdessen im selben Dekret verdeutlicht werden, dass die Vermittlungsdienste nicht als Arbeitsvermittler gelten. Die gewünschte Änderung wurde vorgenommen. 

- der Staatsrat stellt fest, dass die Artikel 47 und 48 des Dekretvorentwurfs die Kontrolle der Suchbemühungen betreffen, die aktuell durch die Artikel 14 und 14.1 des Dekrets vom 17. Januar 2000 zur Schaffung eines Arbeitsamtes in der Deutschsprachigen Gemeinschaft geregelt wird. Er rät dazu, die Artikel 14 und 14.1 des letztgenannten Dekrets aufzuheben. Diese Bemerkung wurde umgesetzt.

5. Rechtsgrundlage 

  • Sondergesetz vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen, Artikel 5 §1 Absatz 1 II Nummer 4 und Artikel 6 §1 IX Nummer 2 
  • Gesetz vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft, Artikel 4 §2 
  • Dekret des Wallonischen Regionalrates vom 6. Mai 1999 zur Ausübung der Befugnisse der Wallonischen Region in den Angelegenheiten Beschäftigung und Ausgrabungen durch die Deutschsprachige Gemeinschaft, Artikel 1 Absatz 1  
  • Dekret des Rates der Deutschsprachigen Gemeinschaft vom 10. Mai 1999 zur Ausübung der Befugnisse der Wallonischen Region in den Angelegenheiten Beschäftigung und Ausgrabungen durch die Deutschsprachige Gemeinschaft, Artikel 1 Absatz 1