Sitzung vom 8. Juli 2021

Erlassvorentwurf zur Einführung eines Prämiensystems zur Steigerung der Energieeffizienz der Wohngebäude im Bestand

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet in zweiter Lesung den Erlassvorentwurf zur Einführung eines Prämiensystems zur Steigerung der Energieeffizienz der Wohngebäude im Bestand.

Die Regierung beschließt, in Anwendung von Artikel 84 §1 Absatz 1 Nummer 2 der koordinierten Gesetze über den Staatsrat vom 12. Januar 1973 das Gutachten in einer 30-Tages-Frist zu beantragen.

Der Vize-Ministerpräsident, Minister für Gesundheit und Soziales, Raumordnung und Wohnungswesen, wird mit der Durchführung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

Mit vorliegendem Erlassvorentwurf wird das durch die Regierung bereits verabschiedete Konzept für das „Energieeffizienz-Prämiensystem Ostbelgien“ in einen entsprechenden Regeltext gegossen. Das neue Prämiensystem stellt eine praktische, bürgerfreundliche Weiterentwicklung des bestehenden „audits de logement“ dar. Ziel ist es, das neue System für den Bürger transparent, zugänglich und administrativ einfach zu gestalten, ohne auf eine professionelle Beratung zu verzichten. Das Fördersystem soll zum einen eine schnelle und einfache Prämienbeantragung ermöglichen und falls benötigt auch zusätzlich eine energetische Fachberatung und -begleitung anbieten.

Antragsteller müssen Eigentümer (oder Miteigentümer) der Wohnung sein. Darüber hinaus sind Bedingungen nach Erhalt der Prämie zu erfüllen.

Für gewisse Arbeiten müssen die Unternehmer über eine Qualiwall Zertifizierung verfügen oder diesem gleichgestellten; Dies betrifft z.B. die Arbeiten zur Installation einer Wärmepumpe. Die Prämie wird nur für Arbeiten bei Räumen, die als Wohnfläche genutzt werden, gewährt. Die Arbeiten müssen innerhalb von 3 Jahren nach Einreichen des Antrags abgeschlossen sein.

Im neuen Prämiensystem werden 2 Arten von Maßnahmen unterschieden, die jeweils anderen Vorgaben unterliegen:

Energetische Verbesserung von Wohngebäuden:

  • Förderung einzelner Maßnahmen (maximal 2 Maßnahmen)
  • mit U‐Wert‐Berechnungen für die geplanten Dämmmaßnahmen
  • beratende Unterstützung durch die „Energieberatung Ostbelgien“

Energetische Sanierung von Wohngebäuden:

  • Förderung größerer Sanierungsmaßnahmen (ab 3 Maßnahmen bis hin zu Kernsanierungen)
  • mit einem gültigen Energiepass = PEB‐Zertifikat (6) der kostenpflichtig und nicht Teil des Prämiensystems ist.
  • mit U‐Wert‐Berechnungen für die geplanten Dämmmaßnahmen
  • beratende Unterstützung durch die „Energieberatung Ostbelgien“

Die Förderung erfolgt durch Prämien, die nach Abschluss der Sanierung auf das Konto des Antragstellers überwiesen werden.

Im Vergleich zum aktuellen System der Wallonischen Region ist aufgrund der Verwaltungsvereinfachung mit einem Anstieg der Anträge zu rechnen. Das im Erlass geregelte Fördersystem legt die Höhe der Prämien in Funktion der Durchschnittskosten der Arbeiten fest. In der Wallonischen Region scheinen die Prämien für gewisse Arbeiten höher, insbesondere, wenn die Prämie aufgrund des Einkommens mit 5 multipliziert wird. Nur übersteigt dies oft die effektiven Kosten der Arbeiten, die maximal zu 70% bezuschusst werden. Auch wenn der theoretische Anspruch der Prämie in der Wallonischen Region sehr hoch scheint, fällt die effektive Prämie aufgrund der reellen Kosten weitaus niedriger aus.

Aufgrund des aktuellen verpflichtenden Audits werden kleinere Arbeiten, wie z.B. die Erneuerung der Fenster nicht mehr vorgenommen. Im neuen System ist eine Förderung möglich im Rahmen der energetischen Verbesserung der Wohngebäude ohne ein verpflichtendes Audit aber mit beratender Unterstützung und einer U-Wert-Berechnung.

Der Ablauf für die Beantragung der Prämien sieht folgendermaßen aus:

  1. Antragstellung mit den erforderlichen Angaben zum Antragsteller und zum Gebäude;
  2. Einreichen einer eidesstattlichen Erklärung zur Einhaltung gewisser Verpflichtungen;
  3. Übermittlung eines Hinterlegungsbescheids (15 Tage nach Antragsstellung)
  4. Vor Ort Besichtigung bei Bedarf abhängig von der Art der Arbeiten und der eingereichten Informationen (30 Tage nach Antragsstellung);
  5. Beschluss über die Vollständigkeit des Antrags (30 nach der Ortsbesichtigung/Antragsstellung). Ggf. Anfrage zusätzlicher Informationen
  6. Beginn der Arbeiten;
  7. Mitteilung der Beendigung der Arbeiten (innerhalb 90 Tage nach Beendigung) mit den entsprechenden Rechnungsbelegen und technischen Anlagen;
  8. Zuschussentscheid (30 Tage nach Bescheid der Beendigung der Arbeiten);
  9. Auszahlung des Zuschusses innerhalb von 60 Tagen nach Zuschussentscheid.

Darüber hinaus wird im Erlass eine Beschwerdemöglichkeit beim Minister vorgesehen sowie Kontroll- und Datenschutzbestimmungen.

Der Erlass soll am 1. November 2021 in Kraft treten. Aufgrund der Fristen der Datenschutzbehörde und des Staatsrates wäre der 1. Oktober für das Inkrafttreten zu kurzfristig. Die Verpflichtung zur Einhaltung der Mietpreistabelle tritt an einem durch den Minister festzulegendem Datum in Kraft. Nach der Zuständigkeitsübertragung zum 1. Januar 2020 wurden die Gemeinden der Deutschsprachigen Gemeinschaft nicht mehr in der Mietpreistabelle der Wallonischen Region aufgeführt. Aktuell laufen Verhandlungen, um die 9 Gemeinden erneut in die Statistiken mit aufzunehmen.  Aus diesem Grund kann diese Verpflichtung erst ab dem Zeitpunkt in Kraft treten, wo erneut eine Mietpreistabelle für die 9 Gemeinden abgerufen werden kann.

Der Vergleich zum aktuellen Prämiensystem der Wallonischen Region ist der Anlage zu entnehmen. Da im aktuellen System die Höhe der Prämie nicht pro M2 beziffert ist, sondern durch den U-Wert (geschätzte Energieeinsparung), ist ein Vergleich der beiden Modelle nicht einfach. Die U-Werte wurde dennoch zwecks eines Vergleichs durch die Energieberatungsstelle in M2 umgerechnet. Im Unterschied zu der aktuellen Förderung wird mit der Tabelle deutlich, dass im dem vorgeschlagenen Modell die Basisprämie weitaus höher liegt als in dem aktuellen System. Auch bei einem mittleren Einkommen, wo in der Wallonischen Region die Basisprämie mal drei multipliziert wird, sind die Prämien durchweg vergleichbar. Die erhöhte Prämie bei Antragsteller, die Anrecht auf die erhöhte Kostenrückerstattung haben, liegen die Prämien in dem vorgeschlagenen Modell höher als in der Wallonischen Region. In dem vorgeschlagenen Modell werden verstärkt energiesparende Maßnahmen, wie die Dach- oder Mauerisolierung gefördert. Maßnahmen in Bezug auf die Elektrik oder Beleuchtung werden nicht mehr gefördert aufgrund ihrer begrenzten Auswirkung auf die Energieeinsparung. Neben den rein energiesparenden Maßnahmen, soll auch die Verwendung von nachhaltigen Dämmstoffen mit in die Förderung einfließen. Im aktuellen System der Wallonischen Region wird die Prämie um 25 % erhöht, wenn mindestens 70 % des verwendeten Produkts natürlichen Ursprungs ist. Im vorgeschlagenen Prämiensystem soll das übernommen werden.

Ausgehend von zwei in Ostbelgien reellen durchgeführten Audits werden in der Anlage die möglichen Prämien in beiden Systemen miteinander verglichen, jeweils unter Berücksichtigung der Basisprämie, die je nach Einkommen mal 3 multipliziert werden kann.

Umbauten von Nicht-Wohngebäuden zu Wohnraum und die Renovierung bzw. Sanierung von Baudenkmälern fallen nicht unter diese Fördermaßnahmen. Für diese Bereiche werden eigene Fördermaßnahmenprogramme erarbeitet.

Der Beirat für Wohnungswesen und Energie hat sich in seiner Sitzung vom 22. Juni 2021 mit dem Erlassentwurf befasst und hat dem Entwurf ein positives Gutachten ausgestellt.

In seinem Gutachten schlägt der Beirat folgende Änderungen oder Ergänzungen vor:

  1. eine Erhöhung der Prämie von 30% auf 60% für Personen, die Anrecht auf das BIM-Statut haben.
  2. eine erhöhte Prämienmöglichkeit für Vermieter, die ihr Gut an einen Mieter mit BIM-Statut vermieten unter den Bedingungen, dass
    • die Dauer des Mietvertrages auf mindestens 9 Jahre festgelegt wird
    • keine Kündigung wegen Eigenbedarf in den ersten 5 Jahren nach Auszahlung erfolgt,
    • und die Miete darf mit Ausnahme der regulären Indexanpassung nicht aufgrund der erfolgten energetischen Arbeiten erhöht werden, ggf. ist die Mietpreistabelle in Artikel 3 wieder einzubinden.

Wenn die Bedingungen nicht eingehalten werden, muss die Prämienerhöhung zurückerstattet werden.

  1. Damit Personen mit niedrigem Einkommen in den Genuss einer Förderung kommen, schlägt der Beirat vor, die Höchstbegrenzung von 70% der annehmbaren Kosten auf 80% für diese Zielgruppe zu erhöhen.

Zu dieser Zielgruppe sollen neben den Personen, die Anrecht auf das BIM-Statut haben, auch Personen gehören, deren Einkommen maximal dem Eingliederungseinkommen der Kategorie 3 (Person mit Familie zur Last) multipliziert mal 1,5 entspricht.

Hier sollte der Antragsteller Einkommensbelege statt Steuerbescheide zum Nachweis vorlegen.

Im vorliegenden Entwurf wurde der Vorschlag der Erhöhung der Prämie von 30% auf 40% für Personen, die Anrecht auf das BIM-Statut haben, sowie die Erhöhung der Höchstbegrenzung von 70% der annehmbaren Kosten auf 80% für diese Zielgruppe übernommen.

Die Erhöhung der Prämie von 30% auf 60% ist nicht realistisch, da damit die Prämie die durchschnittlichen Kosten der Arbeiten weit überschreitet und den Antragstellern somit eine höhere Prämie errechnet wird, die anschließend nicht ausgezahlt werden kann, da die Bezuschussung auf 80% der annehmbaren Kosten begrenzt ist.

Der Vorschlag des Beirates eine weitere Zielgruppe einkommensgebunden für eine erhöhte Prämie wurde nicht übernommen, da dies einen bedeutenden administrativen Arbeitsaufwand mit sich bringen würde und das System damit erneut schwerfällig und weniger transparent wird. Da die Prämie sich an die Durchschnittskosten der Arbeiten orientiert und eine 70% Bezuschussung möglich ist eine einkommensgebundene Prämie nicht zielführend. Auch eine schwerfällige Bindung einer erhöhten Prämie für den Eigentümer bei einem einzigen Mieter, der Empfänger des BIM ist mit mehreren Auflagen, ist administrativ sehr schwerfällig und das System ist reizvoll genug, um Eigentümer dazu zu bewegen, eine energetischen Verbesserung der Wohnung vorzunehmen. Die Mietproblematik von Personen mit geringem Einkommen kann nicht über das Energieprämiensystem gelöst werden, sondern kann im Rahmen der anderen Zuständigkeiten im Wohnungswesen thematisiert werden. 

3. Finanzielle Auswirkungen:

Im Gegensatz zum aktuellen System der Wallonischen Region, in dem die Höhen der Prämien nach steuerbarem Einkommen berechnet werden (5 Kategorien), soll im System der Deutschsprachigen Gemeinschaft mit nur einer Kategorie gearbeitet werden.

Eine Ausnahme gibt es für Haushalte mit geringem Einkommen. Wenn ein Haushalt Anrecht auf eine erhöhte Kostenrückerstattung (BIM)  hat, in Analogie zur Referenz, die für den Sozialzuschlag beim Kindergeld genutzt wird (Gewisse Sozialstatute oder ein Haushaltseinkommen kleiner als 19.957,16 € + 3.694,17 € pro Kind zu Lasten), wird ein Zuschlag von 40 % zu den Basisprämien gewährt. Diese Berechnungsgrundlage ermöglicht einen stark reduzierten Verwaltungsaufwand im Vergleich zum heutigen System und ist transparent und einfach nachvollziehbar für den Bürger

Geschätzt 20 % der Anträge haben Anrecht auf diese Erhöhung. Unter Berücksichtigung der Basisprämien und der Erhöhung für gewisse Antragsteller und auf Grundlage der geschätzten Anzahl Anträge liegen die geschätzten finanziellen Auswirkungen bei 1.150.000€ bzw. 1.242.000€. Die Arbeiten müssen innerhalb von 3 Jahre nach der Antragsstellung abgeschlossen sein. Es ist nicht abschätzbar wie schnell die Arbeiten abgeschlossen sind. Darüber hinaus müssen noch Mittel im Haushalt vorgesehen werden, um die Zahlung der Prämien zu gewährleisten, die aufgrund eines nach dem 31.12.2019 eingereichten Antrags auf Bezuschussung einer Auditprämie durch die Deutschsprachige Gemeinschaft zu tragen sind. Die Auszahlung sowohl der Auditprämien im System der Wallonischen Region als auch der Prämien im neuen System erfolgt über OB70 Pr. 28 ZW 53.11.

Eine detaillierte Schätzung zu den finanziellen Auswirkungen befindet sich im Anhang.

4. Gutachten:

  • Das Gutachten der Juristen des Fachbereichs Lokale Behörden und Kanzlei vom 10. Mai 2021 liegt vor.
  • Das Gutachten des Finanzinspektors vom 24. Mai 2021 liegt vor.
  • Das Gutachten des Beirates für Wohnungswesen und Energie vom 24. Juni 2021 liegt vor.
  • Das Einverständnis des Ministerpräsidenten, zuständig für den Haushalt, liegt vor.

5. Rechtsgrundlage:

  • Sondergesetz vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen, Artikel 20, abgeändert durch das Sondergesetz vom 16. Juli 1993
  • Gesetz vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft, Artikel 7
  • Gesetzbuch über nachhaltiges Wohnen, Artikel 14 ersetzt durch das Dekret der Wallonischen Region vom 1. Juni 2016 und abgeändert durch das Dekret der Wallonischen Region vom 17. Juli 2018 und das Dekret vom 12. Dezember 2019;
  • Dekret der Wallonischen Region vom 9. Dezember 1993 über die Förderung der rationellen Energienutzung, der Energieeinsparungen und der erneuerbaren Energien, Artikel 5 und 6