Sitzung vom 4. Mai 2023

Vorentwurf eines Dekretes zur Abänderung des Dekrets vom 23. April 2018 über die Familienleistungen

1. Beschlussfassung: 

Die Regierung verabschiedet in erster Lesung den Vorentwurf eines Dekretes zur Abänderung des Dekrets vom 23. April 2018 über die Familienleistungen.

Die Regierung beschließt, das Gutachten des Rats für Familienleistungen zu beantragen.

Der Vize-Ministerpräsident, Minister für Gesundheit und Soziales, Raumordnung und Wohnungswesen wird mit der Durchführung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen: 

Am 19. Januar 2023 hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Entscheid Nr. 10/2023 festgestellt, dass einzelne Bestimmungen des Dekrets vom 23. April 2018 über die Familienleistungen, hiernach als „das Dekret“ bezeichnet, gegen die Artikel 10, 11 und 11bis der Verfassung verstoßen.

In einem konkreten Fall hat ein Vater ein Kind aus einer früheren Beziehung in den gemeinsamen Haushalt eingebracht und hat mit seiner neuen Partnerin zwei gemeinsame Kinder. Gemäß den aktuellen Bestimmungen des Dekrets erhält der Vater das Kindergeld für sein Kind aus einer früheren Beziehung und die Partnerin das Kindergeld für die beiden gemeinsamen Kinder. 

Da der Zuschlag für kinderreiche Familien gezahlt wird, wenn ein Empfänger Kindergeld für drei Kinder erhält, erhält diese Familie den Zuschlag nicht.

Die Familie hat vor dem Arbeitsgericht Eupen geklagt, um den Zuschlag zu erhalten. Das Arbeitsgericht hat den Antrag jedoch für unbegründet erklärt. Die Familie hat Berufung beim Arbeitsgerichtshof Lüttich eingelegt, der mehrere Vorabentscheidungsfragen zur Verfassungsmäßigkeit des Dekrets beim Verfassungsgerichtshof stellte.

Der Verfassungsgerichtshof hat demnach festgestellt, dass das Dekret manche Patchworkfamilien vom Erhalt des Zuschlags für kinderreiche Familien ausschließt, insbesondere Familien mit drei Kindern, wobei ein Kind aus einer früheren Beziehung des Vaters stammt und alterniert beherbergt wird. Dieser Behandlungsunterschied ist nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nicht gerechtfertigt. Der Verfassungsgerichtshof kritisiert dabei, dass bei der Bestimmung der Anzahl Kinder für diesen Zuschlag die Last nicht berücksichtigt wird, die jeder Elternteil eines Kindes trägt, das alterniert beherbergt wird.

Dies soll vorliegender Dekretentwurf beheben, indem Eltern, die keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, gemeinsam bestimmen können, wer von ihnen mehr als die Hälfte der Unterhaltskosten für ein Kind trägt und somit der Kindergeldempfänger wird. Damit können die Eltern der alternierten Beherbergung eines Kindes Rechnung tragen. 

Darüber hinaus kritisiert der Verfassungsgerichtshof, dass im konkreten Fall Anrecht auf den Zuschlag bestehen würde, wenn nicht der Vater, sondern die Mutter ein Kind aus einer früheren Beziehung in den gemeinsamen Haushalt einbringen würde, da sie in dem Fall die Empfängerin des Kindergeldes für alle drei Kinder wäre. Der Verfassungsgerichtshof stellt fest, dass das Kriterium für die unterschiedliche Behandlung das Geschlecht des Elternteils ist, der ein Kind aus einer früheren Beziehung in den gemeinsamen Haushalt einbringt. Das ist seiner Ansicht nach nicht sachlich gerechtfertigt und somit verfassungswidrig. 

Dies soll vorliegender Dekretentwurf beheben, indem ein Empfänger das Kindergeld an eine andere volljährige Person, mit der er einen Haushalt bildet, abtreten kann. Durch diese freie Wahl wird eine unterschiedliche Behandlung aufgrund des Geschlechts des Empfängers ausgeschlossen. Im konkreten Klagefall könnte ein Partner das Kindergeld an den anderen Partner abtreten, sodass einer von ihnen das Kindergeld für drei Kinder erhalten würde und Anrecht auf den Zuschlag für kinderreiche Familien hätte.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Die finanziellen Auswirkungen sind abhängig von den Entscheidungen, die die Eltern bzw. die Empfänger treffen und können nur schwer vorhergesehen werden.

Alterniert beherbergt 

Es liegen keine Daten dazu vor, wie viele Eltern kindergeldberechtige Kinder in anderen Akten haben und wie viele Zuschläge für kinderreiche Familien entstehen könnten, wenn die Eltern das Kindergeld untereinander entsprechend abtreten.

Empfängerbestimmung im selben Haushalt 

260 kindergeldberechtigte Kinder leben an einer Adresse an der 3 oder mehr Kinder leben. Davon sind 120 Kinder, das 3., 4., 5., … Kind an dieser Adresse. 46 dieser Kinder erhalten bereits heute den Zuschlag für kinderreiche Familien. 

Unter der Annahme, dass alle diese Kinder an derselben Adresse auch einen gemeinsamen Haushalt bilden und dass alle Empfänger das Kindergeld so einander zuordnen, dass immer wenn möglich der Zuschlag für kinderreiche Familien gezahlt wird, würden (120-46=)74 zusätzliche Kinder zukünftig den Zuschlag für kinderreiche Familie erhalten. Es würden jährliche Kosten von (74*12*155,88=) 138.421,44 EUR entstehen.

4. Gutachten: 

Das Gutachten der Juristen des Fachbereichs Lokale Behörden und Kanzlei liegt vor.

5. Rechtsgrundlage:  

  • Artikel 5 §1 IV des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen. 
  • Artikel 4 §2 des Gesetzes vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft