Sitzung vom 19. Januar 2023

Dekretentwurf zur Zustimmung zum Übereinkommen Nr. 131 über die Festsetzung von Mindestlöhnen, besonders unter der Berücksichtigung der Entwicklungsländer, angenommen durch die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation zu ihrer vierundfünfzigsten Tagung zu Genf am 22. Juni 1970

1. Beschlussfassung: 

Die Regierung verabschiedet in zweiter und letzter Lesung den Dekretentwurf zur Zustimmung zum Übereinkommen Nr. 131 über die Festsetzung von Mindestlöhnen, besonders unter der Berücksichtigung der Entwicklungsländer, angenommen durch die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation zu ihrer vierundfünfzigsten Tagung zu Genf am 22. Juni 1970. 

Der Ministerpräsident, Minister für lokale Behörden und Finanzen, wird beauftragt, den Entwurf im Parlament zu hinterlegen. Das beschleunigte Behandlungsverfahren von Dekretentwürfen zur Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen (Artikel 64 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Parlaments der Deutschsprachigen Gemeinschaft) wird beantragt.

2. Erläuterungen: 

Vorliegender Dekretentwurf hat in letzter Instanz die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 131 über die Festsetzung von Mindestlöhnen, besonders unter der Berücksichtigung der Entwicklungsländer, angenommen durch die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation zu ihrer vierundfünfzigsten Tagung zu Genf am 22. Juni 1970, durch Belgien zum Ziel. 

Das Übereinkommen Nr. 131 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) stellt Regeln für ein Verfahren auf, durch das der Mindestlohn bestimmt werden kann. Es legt selbst keine Mindestlöhne fest. Mit der Ratifikation verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, ein System von Mindestlöhnen für alle Gruppen von Lohnempfängern einzuführen, deren Arbeitsbedingungen dies erforderlich machen. Konkret werden die Gruppen von Lohnempfängern aufgeführt, die geschützt werden sollen. Weiter sieht es eine Meldepflicht über die Gruppen von Arbeitnehmern vor, für die dies nicht gilt. Zudem müssen die Sozialpartner (Arbeitnehmer und Gewerkschaften) in dem Organ, das den Mindestlohn festlegt, zu gleichen Teilen vertreten sein. Schließlich hat der so festgelegte Mindestlohn Gesetzeskraft und darf nicht unterboten werden.

Das Übereinkommen sieht außerdem vor, dass dieser Mindestlohn im Rahmen der Möglichkeiten unter Berücksichtigung sozialer Kriterien (Lebenshaltungskosten der Arbeitnehmer und ihrer Familien usw.) und wirtschaftlicher Gesichtspunkte (Arbeitskosten, Produktivität, Beschäftigungsstand usw.) festgelegt werden soll (s. Artikel 3).

Bei dem Übereinkommen handelt es sich um einen „gemischten Vertrag“ im Sinne von Artikel 167 §4 der Verfassung, wie die Arbeitsgruppe für Gemischte Verträge am 7. Mai 2019 feststellte. Artikel 54 Absatz 1 des Gesetzes vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft verweist auf Artikel 87 §3 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 über institutionelle Reformen, der festlegt, dass die Gemeinschaften und Regionen die Regeln für das Verwaltungs- und Besoldungsstatut ihres Personals festlegen, mit Ausnahme der Pensionsregelung. Dies gilt ebenfalls für das Gemeindepersonal, das Personal der Öffentlichen Sozialhilfezentren und das Personal im Unterrichtswesen (siehe u.a. Artikel 130 §1 Nummer 3 der Verfassung, Artikel 4 des Gesetzes vom 31. Dezember 1983, der auf Artikel 5§1 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 verweist, sowie Artikel 6 §1 VIII Nummer 1 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 in Ausübung).

Die weitere Umsetzung des Übereinkommens ist unerheblich, weil folgende Regeltexte bereits vorliegen: 

  • Was den öffentlichen Dienst betrifft, bezieht sich Belgien auf die in Artikel 3 des Königlichen Erlasses vom 29. Juni 1973 über die Gewährung einer garantierten Vergütung für bestimmte Personalmitglieder der föderalen öffentlichen Dienste. Dies gilt zurzeit auch noch für die Deutschsprachige Gemeinschaft. 
  • Der Lohn muss gemäß Artikel 9 des Gesetzes vom 12. April 1965 über den Schutz der Löhne und Gehälter von Arbeitnehmern korrekt gezahlt werden. 
  • Für den öffentlichen Dienst kann punkto Sozialdialog auf das Verhandlungsverfahren verwiesen werden, das im Gesetz vom 19. Dezember 1974 zur Regelung der Beziehungen zwischen öffentlichen Behörden und den Gewerkschaften der diesen Behörden unterstehenden Bediensteten (Gewerkschaftsstatut) vorgesehen ist. Demnach sind die Behörden verpflichtet, vorab mit den repräsentativen Gewerkschaften über neue Regelungen im Zusammenhang mit den Lohn- und Arbeitsbedingungen zu verhandeln. 

3. Finanzielle Auswirkungen:

Die Zustimmung zum Übereinkommen und die folgende Ratifizierung haben keine direkten finanziellen Auswirkungen zur Folge. Das Übereinkommen stellt ausschließlich Regeln für ein Verfahren auf, durch das der Mindestlohn bestimmt werden kann. Es legt selbst keine Mindestlöhne fest.

4. Gutachten: 

Der Staatsrat hat sein Gutachten Nr. 72.605/4 zum Dekretvorentwurf am 21. Dezember 2022 abgegeben. Er hatte keine Bemerkungen.

5. Rechtsgrundlage: 

  • Verfassung, Artikel 130 
  • Sondergesetz vom 8. August 1980 über institutionelle Reformen, Artikel 5, 6 und 16 
  • Gesetz vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft, Artikel 4