Sitzung vom 25. August 2022

Dekretvorentwurf zur Schaffung eines Dienstes für Arbeit und Beruf der Deutschsprachigen Gemeinschaft

1. Beschlussfassung: 

Die Regierung verabschiedet in zweiter Lesung den Dekretvorentwurf zur Schaffung eines Dienstes für Arbeit und Beruf der Deutschsprachigen Gemeinschaft. 

Die Regierung beschließt, in Anwendung von Artikel 84 §1 Absatz 1 Nummer 2 der koordinierten Gesetze über den Staatsrat vom 12. Januar 1973, das Gutachten in einer 30-Tages-Frist zu beantragen.

Die Ministerin für Kultur und Sport, Beschäftigung und Medien wird mit der Durchführung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen: 

Das vorliegende Dekret ersetzt das Schaffungsdekret des Arbeitsamtes vom 17. Januar 2000. Es betont die Rolle der öffentlichen Arbeitsvermittlung als Dienstleister für alle Personen, die die sich beruflich orientieren oder entwickeln möchten. 

Längst sind die regionalen Ämter für Beschäftigung weit mehr als Stellenvermittler für Empfänger von Arbeitslosenunterstützung. Das vorliegende Dekret trägt den veränderten Aufgaben Rechnung. Gleichzeitig bildet es die Grundlage für zukünftige Modernisierungen in der öffentlichen Arbeitsvermittlung der Deutschsprachigen Gemeinschaft. 

Das vorliegende Dekret verfolgt eine fünffache Zielsetzung:

  1. Verdeutlichung von Zielgruppen, Aufträgen und Aufgaben als Rahmen eines dynamischen Dienstleistungsangebotes 

Das Schaffungsdekret sollte im Vergleich zum Dekret vom 17. Januar 2000 deutlicher werden. Dazu werden Begriffsbestimmungen eingeführt, Nutzergruppen präzisiert, die Aufgaben aussagekräftig beschrieben und zeitgemäß formuliert.

  1. Anpassung des Namens der öffentlichen Arbeitsvermittlung, um ein offenes dienstleistungsorientiertes Außenbild zu stützen  

Neben den arbeitslosengeldberechtigten Menschen stehen viele weitere teils benachteiligte Personengruppen vor beruflichen Herausforderungen. 

Mit Blick auf den Fachkräftemangel und einen Arbeitsmarkt im Wandel ist es unverzichtbar, auch diese Personengruppen bei ihrer Suche nach einem geeigneten Platz in der Arbeitswelt anzusprechen und zu fördern. 

Dazu müssen sich diese Personen jedoch an den Dienst wenden. Der Name „Arbeitsamt“ wird vorrangig mit dem Erhalt von Arbeitslosengeld und Kontrollen assoziiert. Mit dem Namen „Dienst für Arbeit und Beruf“ hingegen wird das Dienstleistungsangebot stärker betont. Der neue Name ist ein Hebel von mehreren, um den Aufbau eines positiven Außenbildes bei Unterstützungssuchenden zu fördern. 

  1. Förderung von Prinzipien guter Verwaltungen, mit dem Ziel transparente, effiziente und bürgernahe Dienstleistungen zu begünstigen   

Ein moderner öffentlicher Dienstleister sollte sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren, unnötige Bürokratie vermeiden, und transparent und nachvollziehbar handeln. Kurz: er sollte bürgernah sein. 

Das vorliegende Dekret setzt hier klare Akzente, indem es einige Prinzipien der guten Verwaltung hervorhebt. Es beauftragt den Verwaltungsrat die Umsetzung folgender Prinzipien zu kontrollieren:  

  • Transparenz, Vorhersehbarkeit, Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungseffizienz des Verwaltungshandelns;  
  • Ausrichtung der Dienstleistungen an den qualitativen und quantitativen Bedarf;  
  • Kommunikation mit allen Nutzern in leicht verständlicher Sprache.   
  1. Einführung eines pluridisziplinären Expertenrates, um komplexe Sachverhalte ganzheitlich bewerten zu können 

Mit der zunehmenden Heterogenität der Nutzer geht eine gesteigerte Komplexität in individuellen Sachfragen, aber auch in Bezug auf Fragestellungen rund um die Gestaltung oder Veränderung von Dienstleistungen einher. 

Wie können wir den unterschiedlichen Nutzergruppen gerecht werden? Welche rechtlichen, technischen und praktischen Aspekte sind zu berücksichtigen? Wo gibt es entscheidungsrelevante Verbindungen zu anderen Zuständigkeiten? Welche praktischen Fragen sind zu beachten?  

In diesem Dekret wird die Grundlage für einen Expertenrat geschaffen, der mit der Erarbeitung von Gutachten und Empfehlungen beauftragt werden kann. Ziel ist es, im Vorfeld der Entscheidungsfindung technisches, praktisches und rechtliches Wissen aus allen relevanten Bereichen zusammenzutragen und aufzuarbeiten. Der Expertenrat hat eine beratende Rolle. Seine Besetzung wird ad-hoc in Funktion der jeweiligen Fragestellung erfolgen.

  1.  Einführung eines Kapitels zur Präzisierung des Umgangs mit personenbezogenen Daten 

Um arbeitsuchende Personen wirksam bei ihrer Suche nach Arbeit zu unterstützen sind Angaben zu den Personen unverzichtbar. Und dies auf zwei Ebenen:

a) auf personenbezogener Ebene: 

So wie ein Arzt die medizinische Akte nutzt, um eine passende Diagnose zu stellen, so wichtig ist es auch für einen Arbeitsberater, die Eckpunkte der beruflichen Laufbahn, Angaben zu relevanten Interessen, Fähigkeiten und Hemmnissen zu kennen. 

Die Datenerfassung konzentriert sich dabei auf jene Angaben, die unverzichtbar bleiben. Ziel ist nicht, alle Vorkommnisse und Zwischentöne der Arbeitsuche zu registrieren. 

b) auf beschäftigungspolitischer Ebene: 

Mit Blick auf eine evidenzbasierte Beschäftigungspolitik sind Angaben zum Profil von Personen, zu Hemmnissen und Unterstützungsbedarfen elementar. Auch hier trägt der Vergleich zum medizinischen Bereich. Ob eine Maßnahme tatsächlich einen Unterschied macht, kann nur analysiert werden, wenn vergleichbare Situationen verglichen werden. 

Dazu benötigen Entscheidungsträger pseudonymisierte und anonymisierte Daten. 

Das vorliegende Dekret legt den Rahmen für die Verarbeitung von Daten fest. 

In nachfolgenden Erlassen sind die genaueren Modalitäten zu regeln.   

3. Finanzielle Auswirkungen: 

Die finanziellen Auswirkungen dieses Dekretes betreffen vorrangig die  Entschädigungen, die im Rahmen der Arbeit des beratenden Expertenrates zu zahlen sind. Die Kosten sind in Funktion der Anwesenheiten, Fahrtgelder und der Tagungshäufigkeit zu berechnen.  

In Anwendung des Erlasses der Regierung zur Harmonisierung der Anwesenheitsgelder und Fahrtentschädigungen in Gremien und Verwaltungsräten der Deutschsprachigen Gemeinschaft können die Kosten auf zirka 1000 bis 2000 Euro geschätzt werden. 

4. Gutachten: 

  • Das Protokoll XX/2022 des Sektorenausschusses XIX der Deutschsprachigen Gemeinschaft vom 1. Juni 2022 liegt vor.
  • Das Gutachten des Wirtschafts- und Sozialrates der Deutschsprachigen Gemeinschaft vom 28. Juni 2022 liegt vor. 
  • Das Gutachten des Verwaltungsrats der Dienststelle der Deutschsprachigen Gemeinschaft für selbstbestimmtes Leben vom 27. Juni 2022 liegt vor. 
  • Das Gutachten des Beirates für Integration und das Zusammenleben in Vielfalt vom 17. Juni 2022 liegt vor. 
  • Das Gutachten der Datenschutzbehörde wurde am 22. Juni 2022 angefragt und liegt noch nicht vor. 

5. Rechtsgrundlage : 

  • Sondergesetz vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen, Artikel 6 §1 IX Nummer 2 
  • Dekret des Wallonischen Regionalrates vom 6. Mai 1999 zur Ausübung der Befugnisse der Wallonischen Region in den Angelegenheiten Beschäftigung und Ausgrabungen durch die Deutschsprachige Gemeinschaft, Artikel 1 Absatz 1 
  • Dekret des Rates der Deutschsprachigen Gemeinschaft vom 10. Mai 1999 zur Ausübung der Befugnisse der Wallonischen Region in den Angelegenheiten Beschäftigung und Ausgrabungen durch die Deutschsprachige Gemeinschaft, Artikel 1 Absatz 1