Sitzung vom 30. Juni 2022

Beschluss zur Ausschreibung des öffentlichen Dienstleistungsauftrags über die Aufstellung eines „Rahmenplan Erneuerbare Energien: Teilbereich Windkraftrahmenplan für die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens“

1. Beschlussfassung: 

Die Regierung genehmigt den Beschluss zur Ausschreibung des öffentlichen Dienstleistungsauftrags über die Aufstellung eines „Rahmenplans Erneuerbare Energien: Teilbereich Windkraftrahmenplan für die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens“

Der Vize-Ministerpräsident, Minister für Gesundheit und Soziales, Raumordnung und Wohnungswesen, wird mit der Durchführung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen: 

Mit der Übernahme der Zuständigkeit im Bereich Raumordnung von der Wallonischen Region zum 1. Januar 2020 ist die Deutschsprachige Gemeinschaft erstmalig für alle Bereiche der Raumordnung gemäß Sondergesetz vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen zuständig. 

Im Rahmen der Zuständigkeit fällt der Deutschsprachigen Gemeinschaft nicht nur die Aufgabe zu, sich allen Themen und Anliegen des Planens und Bauens zu widmen, sich mit dem bestehenden gesetzlichen Rahmen auseinander zu setzen und sich im Rahmen der Raumordnungsstrategie ein räumliches Leitbild zu geben, sondern auch in anderen Themenfeldern der Raumgestaltung eine auf die örtlichen Gegebenheiten angepasste Handlungsstrategie zu entwickeln. 

Wie in der Note vom 25. Februar 2021 festgehalten und von der Regierung beschlossen, ist eines dieser eng mit der strategischen Entwicklung Ostbelgiens verbundenen Themenfelder der Umgang mit den Flächenbedarfen durch den Ausbau erneuerbarer Energien. Um den spezifischen Gegebenheiten Ostbelgiens hier gerecht zu werden, sollen in Zukunft entsprechende Rahmenplanungen erfolgen. Im ersten Schritt ist dies der „Rahmenplan Erneuerbare Energien: Teilbereich Windkraftrahmenplan für die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens“.

Ziel ist es im Umgang mit Fragen zu Standorten für Windkraftanlagen Planungssicherheit zu gewinnen. Es ist von großer Bedeutung für den Standort Ostbelgien den Umgang mit der Thematik Windkraftanlagen in einem Planungsdokument alias Windkraftrahmenplan zu regeln.

Auf Ebene der Wallonie wird der Umgang mit Windkraftanlagen in einem seit 2013 gültigen „Rahmenplan Einrichtung von Windkraftanlagen in der Wallonie“ geregelt. Dieser Rahmenplan hat auf dem Gebiet der Wallonie eine orientierende Wirkung und entfaltet rein formell keine bindende Wirkung. Dennoch dient dieser auch auf dem Gebiet Ostbelgiens als Grundlage zur Entscheidung über die Genehmigung von Windkraftanlagen. Der Maßstab des Wallonischen Rahmenplans wird den Bedürfnissen des Gemeinschaftsgebietes nicht gerecht (vgl. Abbildung 1). Gleichwohl bildet dieser in seinem textlichen Teil eine gute Grundlage für die Erarbeitung eines eigenen, auch im Hinblick auf die technischen und planerischen Entwicklungen der letzten 10 Jahre angepassten, Planwerkes. Das Vorhaben eignet sich gut, um in Hinblick auf die Thematik Windkraft voranzuschreiten und damit nicht nur im Sinne der Gemeinschaft zu handeln, sondern auch für unsere Gemeinden einen großen Mehrwert zu schaffen.  

 

Abbildung 1: Die im Rahmen der Wallonischen Rahmenplanung erstellte Karte zu Windkraftstandorten, wird dem Maßstab der Deutschsprachigen Gemeinschaft nicht gerecht. Hier besteht vertiefter Betrachtungsbedarf. [Abb. 18 aus dem Klimaplan Ostbelgien]

Nach heutigem Stand bedarf es für das Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft eines eigenen, aktuellen Windkraftrahmenplans für Ostbelgien. Dieser soll für die Raumordnungsbehörden sowie die Antragsteller einen verlässlichen Bezugsrahmen zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen ausbilden und den seitens der Wallonie bestehenden Rahmenplan sowohl maßstäblich als auch inhaltlich auf den Bedarf der Deutschsprachigen Gemeinschaft anpassen.

Im Rahmen des „Windkraftrahmenplans Ostbelgienen“ sollen räumlich strukturelle Besonderheiten der Deutschsprachigen Gemeinschaft Beachtung finden. Hier sind sowohl die Siedlungsstrukturen, das Landschaftsbild, die Natura 2000 Gebiete, der Naturpark Hohes Venn Eifel und die Ziele des „Klimaplans Ostbelgien“ zu nennen als auch die Bedeutung des Tourismus für den Standort Ostbelgien und die Auswirkungen auf die allgemeine Lebensqualität der Ostbelgierinnen und Ostbelgier.

Sowohl für die Behörden, die Regierung als auch für die Bürgerinnen und Bürger soll mit einem „Windkraftrahmenplan Ostbelgien“ eine Klärung der Sachlage bezüglich Windkraftanlagen auf Ebene der Gemeinschaft erfolgen. Damit kann einerseits auf bestehende Ängste der Bürgerinnen und Bürger reagiert werden als auch ein einheitlicher Handlungsrahmen für alle ostbelgischen Gemeinden und zuständigen Behörden gesetzt werden. Nicht zu vernachlässigen ist die Wirkung als Argumentationshilfe für die Raumordnungsbehörden gegenüber Investoren und Interessenten bei der Betrachtung von potenziellen Standorten.

Gleichzeitig dient der Planungsprozess der politischen Meinungsbildung und unterstützt die Regierung bei der Klärung der Sachlage in Bezug auf alle Aspekte der Windkraftthematik. Der zuständige Ausschuss I – beispielweise vom 23.11.2020 sowie vom 22.03.2021 - hat ebenfalls auf die Notwendigkeit des Handelns in diesem Bereich hingewiesen. Mit einem „Windkraftrahmenplan Ostbelgien“ kann die Deutschsprachige Gemeinschaft voranschreiten und ein verbindliches Planungsdokument mit Verordnungsreife erstellen.

Dabei steht das Vorhaben „Windkraftrahmenplan Ostbelgien“ im engen Kontext des „Klimaplans Ostbelgien“, der auf die Bedeutung der Windkraft hinweist und die unbedingt umsichtige Standortwahl betont (Seite 54). Neben der räumlichen Wirkung von Windkraftanlagen spielt ihre Bedeutung als wichtiges Instrument zur Erreichung der EU Vorgaben zur CO2 Einsparung und der durch den Bürgermeister Konvent gesetzten Klimaziele eine zentrale Rolle. Dem Konvent haben sich alle Bürgermeister der Gemeinden der Deutschsprachigen Gemeinschaft durch die Unterzeichnung verpflichtet.

Mit einem „Windkraftrahmenplan Ostbelgien“ entsteht ein langfristiges Raumordnungsinstrument. Angestrebt wird langfristig eine Darstellungstiefe ähnlich dem Energie Atlas NRW, wo beispielsweise für alle nachvollziehbar ablesbar ist, welche Abstände zu Siedlungsgebieten einzuhalten sind, wo der Landschafts- und Naturschutz Vorrang hat und wo die potenziellen Standorte die besten Winderträge erbringen. 

Besonders die in der Bevölkerung durch Petitionen und Einwände spürbaren Unsicherheiten in Bezug auf die Entwicklung von Windkraft in der Deutschsprachigen Gemeinschaft zeigen deutlich, dass die Zeit reif ist, mit einem Planungsinstrument die Thematik anzugehen. Insbesondere durch die im Rahmen des Reformprozesses stattfindende räumliche Leitbildentwicklung ergibt sich die Möglichkeit durch parallele Bearbeitung beider Planwerke Synergien zu nutzen.

Das Planungsinstrument „Windkraftrahmenplan Ostbelgien“ bietet folgende Vorteile: 

  • Externe Anfragen an Gemeinschaft und Gemeinden können auf Grundlage eines eigenen, maßstabsgerechten Dokumentes bearbeitet werden. 
  • In Bezug auf Standortfragen stehen verbindliche und fachlich versierte Argumente für den Dialog mit den Betroffenen, seien es Gemeinden, Investoren oder Anwohner, bereit.  
  • Die Abwägung der Belange unterschiedlicher Gruppen wird vorbereitet und erleichtert.  
  • Durch das Rahmenwerk wird das Gesamtbild der Gemeinschaft betrachtet anstatt von Einzelfällen. 
  • Die Umwelt- und Landschaftsbildbelange werden bereits auf Ebene der Planung betrachtet, so dass der reinen NIMBY-Bewegung vorgebeugt wird.  
  • Insbesondere bei der Thematik der Windkraft wird stets eine starke Gruppe von Gegnern lautstark. Im Rahmen des Windkraftrahmenplans kann auch die Gruppe derjenigen, die diese Entwicklung im Sinne des Klimas unterstützen, sichtbar gemacht werden. Das Planwerk dient der Auslotung der Akzeptanz. 

Das Planwerk „Windkraftrahmenplan“ trägt zur Klärung der räumlichen Situation bei und wirkt als steuerndes Instrument der Entwicklung. Vorbilder für solche Windkraftrahmenpläne gibt es viele – zu nennen sind z.B. das „Konzept Windenergie Schweiz“ oder der „Energie Atlas NRW“ mit den hier integrierten Planungskarten Wind.

Durch den Rahmenplan werden eine genaue Standortprüfung und die Genehmigungsverfahren nicht ersetzt. Denn hier müssen beispielsweise weiterhin Qualitäten der Böden, Wasserschutz, Tierschutz und andere Aspekte vertieft betrachtet werden. Der Plan setzt jedoch den Rahmen der in Bezug auf Abstandsflächen und Landschaftsschutz sowie ggf. No-Go-Zonen.

Der Mehrwert eines solchen Plans liegt in der Anerkennung der Windkraftstandorte und ihrer starken Raumwirkung als Herausforderung der Raumordnung. In Bezug auf Windkraftstandorte soll „Steuern statt Reagieren“ die Devise der Gemeinschaft sein. 

Gleichzeitig ist die Auseinandersetzung mit der Thematik ein Bekenntnis zur Reaktion auf den Klimawandel und den nicht zuletzt seit dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine deutlich werdenden Bedarf an eigenständigen Energiequellen der Gemeinschaft. Das raumrelevante Thema soll im Rahmen der vorliegenden Ausschreibung auch im Hinblick auf den Bedarf des Landschaftsschutzes und den räumlichen Kontext der Gemeinschaft betrachtet werden.

Ziel ist die Fortschreibung und Vertiefung des Rahmenplans „Errichtung von Windkraftanlagen in der Wallonie“ (2013) als auf die Gemeinschaftsebene angepasster und aktualisierter Plan „Windkraftrahmenplan Ostbelgien“.Seitenumbruch 

Vorgehensweise

Geplant ist eine dreistufige Vorgehensweise. Die drei Stufen sind aufeinander aufgebaut, wobei jede der drei Stufen mit ihrem Abschluss bereits einen Mehrwert für die Gemeinschaft bietet. 

Der Rahmenplan Erneuerbare Energien: Teilbereich Windkraftrahmenplan soll für die Planungsbehörden der Deutschsprachigen Gemeinschaft einen verlässlichen Bezugsrahmen herstellen, der alle betroffenen Akteure bei der Planung und der Genehmigung von Windkraftanlagen unterstützt. Dieser soll sowohl für „kleine“ (0 – 100 kW), als auch für „mittlere“ (100kW - 1MW) und „große“ (> 1MW) Windkraftanlagen als Leitlinie dienen, ungeachtet dessen, ob im Rahmen der Planung die Anlagen weiterhin nach Leistung klassifiziert werden oder eine andere, den Gegebenheiten vor Ort besser angepasste Klassifizierung erfolgt (z.B. Masthöhe, Auswirkung auf die Umwelt, etc.). Auch die Möglichkeiten von Windkraftanlagen mit vertikaler Rotorachse sollen ausgelotet werden.

Das dreistufige Vorgehen umfasst:

Stufe 1: Planwerk Windkraftrahmenplan 

Die Aufstellung des Windkraftrahmenplans umfasst eine Auslotung der Thematik in Ostbelgien, Beratung der Behörden, planerische Leistungen zur Definition der Zonen, die Betrachtung der potenziellen Standorte unter Berücksichtigung des Natur- und Landschaftsschutzes aber auch Schutzes des Landschaftsbildes und Abstandsflächen zu Siedlungen sowie Bedeutung der Standorte für den Tourismus. Vorgesehen ist ein fachlich-politischer Dialog mit Einbeziehung von juristischer Beratung. Die Erkenntnisse sind in Text und Bild/Plänen sowie GIS-Karten darzustellen (vgl. WallOnMap). 

Stufe 2: Ertragsprüfung der voraussichtlichen Eignungsflächen 

Nach Vorauswahl der Flächen anhand der in Punkt 1 genannten Kriterien soll die Beauftragung einer technisch-wirtschaftlichen Prüfung der Standorte erfolgen. Hier soll die Wirtschaftlichkeit der potenziellen Anlagen simuliert werden und einer Machbarkeitsprüfung unterzogen werden. Diese Erkenntnisse sind ggf. in die in Stufe 1 erstellten Karten zu übertragen. Diese Leistung ist vom Ersteller des Plans als obligatorische Option anzubieten. Die Beauftragung der Ertragsprüfung erfolgt separat und zeitversetzt, da zunächst potenzielle Flächen bekannt sein müssen und die Sinnhaftigkeit der Vorgehensweise im Rahmen des Prozesses gemeinsam mit dem Berater auszuloten ist.

Stufe 3: Rechtliche Beratung und ggf. Dekretaufstellung 

Nach Überarbeitung des Plans aus Stufe 1 im Hinblick auf die Erkenntnisse aus Stufe 2 würde ggf. die Erstellung einer rechtsverbindlichen Version, gegebenenfalls mit Unterstützung externer Rechtsberater, folgen. Insbesondere ist auf die Abgrenzung zum (belgischen bzw. wallonischen) Umweltrecht zu achten. 

Der Rahmenplan für die Errichtung von Windkraftanlagen in der Wallonie (2013) dient auf dem Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft bereits als Grundlage und Leitlinie für mittlere und große Windkraftanlagen, soll aber auf die räumlichen und strukturellen Besonderheiten Ostbelgiens angepasst, vertieft und aktualisiert werden. 

Das beigefügte Lastenheft umfasst Stufe 1 der Ausschreibung sowie die optionalen Zuarbeiten in Stufe 2. Vorzulegen sind seitens Planungsbüro  

  • ein Projektkonzept bezüglich der Erarbeitung, 
  • ein Projektzeitplan sowie ein 
  • Beteiligungskonzept für die Einbindung von diversen (Fach)Akteuren und Gremien sowie Gemeinden. 

3. Finanzielle Auswirkungen:

Derzeit ist die Auftragssumme nicht genau bezifferbar. Die Ausschreibung als Dienstleistungsauftrag erfolgt als Vereinfachtes Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung und wird mit einem Auftragswert von < 130.000 € eingeschätzt. Der Haushalt sieht unter dem OB 50 im Programm 22 unter Posten 12.11 genügend Reserven für 2022 vor. 

4. Gutachten: 

Das Gutachten des Finanzinspektors vom 22. Juni 2022 liegt vor.

5. Rechtsgrundlage: 

  • Gesetz vom 17. Juni 2016 über öffentliche Aufträge (hiernach: Gesetz vom 17. Juni 2016) 
  • Gesetz vom 17. Juni 2013 über die Begründung, Unterrichtung und Rechtsmittel im Bereich öffentlicher Aufträge und bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge sowie Konzessionen (hiernach: Gesetz vom 17. Juni 2013) 
  • Königlicher Erlass vom 18. April 2017 über die Vergabe öffentlicher Aufträge in den klassischen Bereichen (hiernach: Königlicher Erlass vom 18. April 2017) 
  • Königlicher Erlass vom 14. Januar 2013 zur Festlegung der allgemeinen Regeln für die Ausführung öffentlicher Aufträge (hiernach: Königlicher Erlass vom 14. Januar 2013)  
  • Gesetzbuch über die räumliche Entwicklung (Dekret vom 20. Juli 2016; Erlass vom 22. Dezember 2016)