Sitzung vom 16. Juni 2022

Dekretvorentwurf zur Schaffung eines Beirates für Gesundheit

1. Beschlussfassung: 

Die Regierung verabschiedet in zweiter Lesung den Vorentwurf eines Dekretes zur Schaffung eines Beirates für Gesundheit.

Die Regierung beschließt, in Anwendung von Artikel 84§1 Absatz 1 Nummer 2 der koordinierten Gesetze über den Staatsrat vom 12. Januar 1973, ersetzt durch das Gesetz vom 2. April 2003, das Gutachten in 30-Tagen-Frist zu beantragen.

Der Vize-Ministerpräsident, Minister für Gesundheit und Soziales, Raumordnung und Wohnungswesen wird mit der Durchführung vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen: 

Im Rahmen der sechsten Staatsreform wurden der Deutschsprachige Gemeinschaft neue Zuständigkeiten übertragen, wie beispielsweise die Impulseo-Förderung für Ärzte, die Anerkennung und Finanzierung der Hausärztekreise, die Festlegung der Anerkennungsnormen und der Finanzierung des psychiatrischen Pflegewohnheims, des Begleiteten Wohnens sowie die Langzeit-Rehabilitation. 

Zurzeit existieren im Gesundheitsbereich zwei Beiräte, die der Regierung Gutachten zu Rechtstexten, Anerkennungen von Dienstleistern oder Vorgaben unterbreiten: der Beirat für Gesundheitsförderung und der Krankenhausbeirat. 

Zurzeit werden oben genannte Aufgabenfelder der Rehabilitation, der Psychiatrie und Erste Linie in keinem Beratungsgremium der Deutschsprachigen Gemeinschaft behandelt. Da künftige Vorhaben und somit die Umsetzung in Regeltexten auch diese Bereiche betreffen, ist es erforderlich, diesen Bereichen ebenfalls Gehör in den Entscheidungsprozessen zu verschaffen 

Mit dem Ziel der stärkeren Verknüpfung zwischen Gesundheitsförderung und Prävention einerseits und der Gesundheitsversorgung andererseits, erfolgt eine Neugestaltung dieser Beiräte und die Schaffung eines einzigen Beirates für Gesundheit, der sowohl die Bereiche Gesundheitsförderung als auch Gesundheitsversorgung und alle in diesem Kontext betreffenden Thematiken umfasst.  

Die Netzwerkarbeit und die Abstimmung der Dienstleistungen aufeinander sind Zielsetzungen der Gesundheitsplanung für die Deutschsprachige Gemeinschaft im Hinblick auf die Optimierung der Behandlungs- und Beratungsangebote für die Bürger. Eine insgesamte Begutachtung von Vorhaben der Regierung durch einen Beirat, der Dienstleister aus allen Bereichen umfasst, kann konzeptionell bereits die Netzwerkarbeit stärken und das Denkmuster der integrierten Versorgung verankern.

Zu vorliegendem Dekretentwurf wurden Gutachten des Beirates für Gesundheitsförderung, des Psychiatrieverbandes und des Krankenhausbeirates angefragt. Der Beirat für Gesundheitsförderung und der Psychiatrieverband gaben ein Gutachten ab. Der Krankenhausbeirat reichte ebenfalls ein Gutachten ein. Zudem erhielt die Regierung Stellungnahmen seitens der Klinik St. Josef und die KPVDB, die beide im Krankenhausbeirat vertreten sind, 

Nachfolgend die Bemerkungen der konsultierten Beiräte:

BEIRAT FÜR GESUNDHEITSFÖRDERUNG

Der Beirat für Gesundheitsförderung stellte am 2. März 2020 ein Gutachten zum vorliegenden Dekretvorentwurf aus, ergänzende Bemerkungen wurden am 5. Oktober 2021 eingereicht.

In einer allgemeinen Empfehlung schlägt der Beirat vor, dass alle Gutachten systematisch veröffentlicht werden. Dieser Empfehlung kann nicht entsprochen werden. Auch für andere Gremien und Beiräte der Deutschsprachigen Gemeinschaft ist nicht vorgesehen, dass die Gutachten veröffentlicht werden. Sollten Gutachten zu Dekretentwürfen erteilt werden, werden diese jedoch beim Parlament hinterlegt.

Hinsichtlich der in Artikel 3 vorgesehenen Zusammensetzung des neuen Beirats stellt sich der Beirat für Gesundheitsförderung die Frage, ob korrekt zwischen den Vertretern der verschiedenen Fachrichtungen gewichtet wurde. Die Antwort hierzu lautet: Gemäß dem Ziel der integrierten Versorgung ist es sinnvoll, für die Begutachtung von Vorhaben verschiedene Fachrichtungen zusammenzubringen. Eine Analyse durch das Prisma von Personen mit unterschiedlicher Ausbildung und beruflicher Erfahrung kann Probleme und Herausforderungen besser identifizieren und zu innovativen Lösungsansätzen beitragen. Außerdem kann nicht trennscharf geklärt werden, ob Vertreter einer Fachrichtung nicht auch in anderen Bereichen tätig sind. So arbeiten Hausärzte und auch Krankenhäuser kurativ, aber zum Teil eben auch präventiv. Sie sind in der physischen Gesundheitsversorgung tätig als auch in der psychischen Gesundheitsversorgung und -förderung.

In einer weiteren allgemeinen Bemerkung zu Artikel 3 stellt sich der Beirat die Frage, wie die Auswahl von Mitgliedern konkret erfolgen soll, wenn es keinen Berufsverband gibt. Zwecks Auswahl der Mitglieder wird ein Aufruf in der Presse gestartet, damit sich Interessenten melden. Es werden ebenfalls Personen angeschrieben. Für Paramediziner existiert nämlich keine vollständige Liste. Hausärzte werden über die Hausärztekreise erreicht.

Darüber hinaus könnten zwei Vertreter aus Sicht des Beirats nicht den kompletten Präventionsbereich abdecken. Dem ist zu entgegnen, dass auch Allgemeinmediziner und Psychologen Präventionsarbeit leisten und über einen geschärften Blick für diese Thematik verfügen.

Außerdem verweist der Beirat auf das Risiko von Interessenskonflikten, insoweit gewisse Sektoren nur durch eine einzige Person vertreten werden. Diesbezüglich darf jedoch von dem bestellten Vertreter erwartet werden, dass sich dieser mit dem Sektor, den er vertritt, abspricht und entsprechend abwägt, welchen Standpunkt er einnimmt.

Was die Bürgervertretung im neuen Beirat betrifft, wünscht sich der Beirat die Festlegung von Auswahlkriterien. Die Autoren sind jedoch der Meinung, dass eine Einschränkung des Bewerberfeld unerwünscht ist und so offen wie möglich gehalten werden soll. Zudem hat man im Beirat für Seniorenunterstützung, für den es ein ähnliches Konzept der Bürgerbeteiligung gibt, gute Erfahrungen gemacht.

Ein weiterer Vorschlag bezüglich der Zusammensetzung betrifft die Verbraucherschutzzentrale. Diese solle explizit als Mitglied des Beirates aufgenommen werden. Die Autoren weisen diesbezüglich auf die Möglichkeit hin, dass die Verbrauchschutzzentrale als Experte gemäß Artikel 4 §3 zu den Beratungen hinzugezogen werden kann, sollte dies sachdienlich sein.

Bezüglich der in Artikel 4 des Vorentwurfs festgelegten Funktionsweise bemängelt der Beirat, dass nicht die exakte Arbeitsweise des neuen Beirats geregelt wird und somit die Befürchtung in den Raum stellt, dass sich der neue Beirat in Fragestellungen zur internen Arbeitsweise verliert. Hierauf kann geantwortet werden, dass es die inhärente Aufgabe des Beirats ist, seinen Auftrag gemäß Artikel 2 zu erfüllen. Es ist schließlich die Aufgabe des Vorsitzenden des Beirates dafür zu sorgen, dass dieser funktionsfähig ist und korrekt arbeitet.

Zum selben Artikel stellt der Beirat die Frage, ob überhaupt effizient gearbeitet werden könne, wenn solch unterschiedliche Themenfelder behandelt werden, und ob die Mitglieder in diesem Fall über die notwendige Fachkompetenz verfügen. Er könne zwar nachvollziehen, dass das Dekret aus diesem Grund die Möglichkeit bietet, Arbeitsgruppen einzusetzen (§4), jedoch fehlt aus seiner Sicht der strukturelle Rahmen. Aus dem Grund schlägt der Beirat vor, dekretal drei feste Arbeitsgruppen einzurichten. Daneben solle ein Koordinationsgremium eingerichtet werden, um den Austausch zwischen den Arbeitsgruppen zu gewährleisten. Durch eine zu starre Verankerung von Themen in einzelnen Arbeitsgruppen reduziert man den innovativen Charakter der künftigen Arbeit dieses Beirates im Rahmen der integrierten Versorgung. Ein solches Vorgehen würde deshalb nicht qualitätssteigernd, sondern qualitätshemmend wirken. Die Chance der multidimensionalen Begutachtung durch einen Beirat, in dem verschiedene Fachkompetenzen vertreten sind, würde somit minimiert. Darüber hinaus sollte der Beirat selbst entscheiden können, welche Arbeitsgruppen er zu welchem Schwerpunktthemen schafft, wie er sie zusammensetzt und diese auch zeitlich befristen. Nichts hindert demnach den Beirat für Gesundheit daran, gewünschte Arbeitsgruppen zu schaffen.

PSYCHIATRIEVERBAND

Der Psychiatrieverband der Deutschsprachigen Gemeinschaft hat am 20. Februar 2020 ein Gutachten zum vorliegenden Dekretvorentwurf erstellt.

Grundsätzlich begrüßt der Psychiatrieverband die Schaffung eines Beirats, würde es jedoch vorziehen, weiterhin eine gesonderte Stellung einzunehmen und nicht in den Beirat für Gesundheit eingegliedert zu werden. Stattdessen solle der Psychiatrieverband als Konzertierungsebene der Experten fungieren. Die Autoren des vorliegenden Vorschlags sind der Meinung, dass der Psychiatrieverband auch weiterhin besteht, eine Konzertierung ist also weiterhin möglich. Darüber hinaus ermöglicht der Dekretvorentwurf die Einrichtung von Arbeitsgruppen, mit denen dieser Bereich abgedeckt werden kann.

Was die Zusammensetzung des Beirats betrifft, bemängelt der Psychiatrieverband, dass zwei Vertreter aus dem Bereich Psychiatrie angesichts der Größe des Sektors nicht ausreichend sind. Auch hier gilt, dass Allgemeinmediziner und Fachärzte über Kenntnisse in diesem Bereich verfügen.

KRANKENHAUSBEIRAT

Der Krankenhausbeirat stellte sein Gutachten zum Dekretvorentwurf am 15. Oktober 2020 aus. 

Der Krankenhausbeirat empfiehlt dem Minister den Krankenhausbeirat für fachspezifische Themen beizubehalten. Übergeordnete Themen können in Zukunft im Beirat Gesundheit (übergeordnete Struktur) besprochen werden. 

Der Krankenhausbeirat ist sich einig, dass eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und den Hausärzten in Zukunft gefördert werden sollte.

Für die Rechtssicherheit ist es erforderlich, das ursprüngliche Aufgabenfeld des Krankenhausbeirats aus dem Dekret vom 20. Oktober 1997 zur Schaffung eines Krankenhausbeirats und eines Beirats für Wohn-, Begleit- und Pflegestrukturen für Senioren sowie die häusliche Hilfe zu übernehmen und weiterzuführen, sodass sichergestellt ist, dass keine Fragen offen bleiben, in welchen Situationen ein Gutachten des Beirats für Gesundheit bei der Anwendung des Koordinierten Gesetz vom 10. Juli 2008 erforderlich ist.

In Bezug auf die Zusammensetzung schlussfolgert der Krankenhausbeirat, dass Vertreter aus beiden Krankenhäusern im deutschen Sprachgebiet vertreten sein müssten, um gleichwertig vertreten zu sein. Die Autoren vertreten jedoch die Meinung, dass es den Krankenhäusern obliegt, sich intern zu konzertieren, wer welchen Vertreter für die Ärzteschaft und die Krankenhausverwaltung entsendet. Es ist nicht möglich für jede Art Einrichtung, die mehrmals im deutschen Sprachgebiet existiert, einen eigenen Vertreter in den Beirat zu bestellen. Durch zu viele Mitglieder wird die Arbeitsweise zu schwerfällig, was auf Kosten der Handlungsfähigkeit geht.

Weiterhin kann der Krankenhausbeirat nicht nachvollziehen, wieso die Angelegenheiten des Seniorenbereichs in separaten Beirat für Seniorenunterstützung ausgelagert werden, während die spezifischen und zum Teil doch recht technischen Angelegenheiten, die der Krankenhausgesetzgebung unterstehen, in einem Dekret erfasst werden sollen. Eine Zusammenlegung mit dem Beirat für Seniorenunterstützung ist zukünftig sicherlich denkbar. Jedoch werden durch vorliegenden Vorschlag bereits mehrere Themenfelder zusammengelegt. Man sollte den Mehrwert der Ausweitung auf weitere Themengebiete wie die Seniorenunterstützung nach einer Evaluierung vorliegender Schaffung des Beirates für Gesundheit mittelfristig diskutieren.

KOMMENTAR ZU DEN ARTIKELN

Artikel 1

Dieser Artikel schafft einen Beirat für Gesundheit.

Artikel 2

Dieser Artikel legt die Aufgaben des Beirats fest. Er legt auch fest, dass die Regierung zu jedem Vorentwurf eines Dekretes oder eines Erlasses, der die Gesundheitspolitik im Sinne von Artikel 5 §1 I des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen betrifft, das Gutachten des Beirats einholt. Dazu zählen insbesondere die Gesundheitsversorgung und die Gesundheitsförderung. Um Unklarheiten in Bezug auf die Begutachtungsfunktion im Bereich der Krankenhausgesetzgebung auszuschließen, wird die bisherige Aufgabenbeschreibung in diesem Bereich aus dem Schaffungsdekret des bisherigen Krankenhausbeirats weitergeführt. Jedoch sollen sich die Aufgabenbereiche des nun geschaffenen Beirats für Gesundheit nicht mit denen des Beirats für die Seniorenunterstützung überschneiden. Ein entsprechendes Ausschlusskriterium wird in Absatz 1 Nummer 1 vorgesehen.

Artikel 3

Dieser Artikel bestimmt die Zusammensetzung des Beirats. Er besteht hauptsächlich aus im Gesundheitsbereich arbeitenden Berufstätigen, entweder in den Einrichtungen oder als Freiberufler im deutschen Sprachgebiet. Darüber hinaus werden noch zwei Bürger in den Beirat bestellt, die keine Funktion in einer Gesundheitseinrichtung im deutschen Sprachgebiet ausüben. Hierdurch soll bei der Begutachtung durch das Gremium neben der fachlichen Sicht der Dienstleister auch die Bedarfe von Bürgern integriert werden. Zum Beispiel wird dies ein Mehrwert sein bei der Definierung neuer Qualitätsnormen.

Die Mitglieder werden von der Regierung für ein Mandat von vier Jahren bestellt.

Artikel 4

Dieser Artikel bestimmt die Funktionsweise des Beirats. Der Artikel gibt dem Beirat die Möglichkeit, Fachleute zu seinen Beratungen hinzuzuziehen, die jedoch über kein Stimmrecht verfügen. Zudem können auch Arbeitsgruppen eingesetzt werden, die sich mit den Themen wie mentale Gesundheit oder Sucht oder aber Ernährung auseinandersetzten.  Die Arbeitsgruppen können somit multifokal ein Thema bearbeiten.

Auch Zusammenarbeit mit anderen Beiräten möglich rund um ein Thema zur Erstellung von Gutachten.

Artikel 5

Dieser Artikel sieht vor, dass der Beirat jährlich einen Bericht über seine Tätigkeiten verfasst, den er der Regierung und dem Parlament zukommen lässt.

Artikel 6

Dieser Artikel legt fest, wer Anrecht auf Anwesenheitsgelder und Fahrtentschädigungen hat.

Artikel 7-9

Durch die Zusammenlegung des Beirats für Gesundheitsförderung und des Krankenhausbeirats müssen die entsprechenden Grundlagendekrete angepasst werden. So werden im Dekret zur Gesundheitsförderung die Verweise auf den Beirat für Gesundheitsförderung durch Verweise auf den neuen Beirat ersetzt und das Kapitel, das der Schaffung des Beirats für Gesundheitsförderung dient, aufgehoben, während das Dekret vom 20. Oktober 1997 zur Schaffung eines Krankenhausbeirats und eines Beirats für Wohn-, Begleit- und Pflegestrukturen für Senioren sowie die häusliche Hilfe komplett aufgehoben wird. Der Teil des Dekretes betreffend den Beirat für Wohn-, Begleit- und Pflegestrukturen für Senioren sowie die häusliche Hilfe wurde bereits durch das Dekret vom 13. Dezember 2018 aufgehoben.

Artikel 10

Diese Bestimmung sieht das Inkrafttreten des Dekretentwurfs zum 1. Januar 2023 vor.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Die Mitglieder des Beirates haben Anrecht auf Anwesenheitsgelder und Fahrtentschädigungen gemäß dem Erlass vom 12. Juli 2001 zur Harmonisierung der Anwesenheitsgelder und Fahrtentschädigungen in Gremien und Verwaltungsräten der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Für Sitzungen der spezifischen Arbeitsgruppen besteht dieses Anrecht hingegen nicht.

Die damit einhergehenden Kosten sind im OB 50, Programm 16 Zuweisung 12.11 vorgesehen.

4. Gutachten: 

  • Das Gutachten der Juristen des Fachbereichs Lokale Behörden und Kanzlei vom 26. November 2019 liegt vor. 
  • Das Gutachten der Finanzinspektion vom 9. Juni 2022 liegt vor. 
  • Das Einverständnis des Ministerpräsidenten, zuständig für den Haushalt, vom 10. Juni 2022 liegt vor. 

5. Rechtsgrundlage:  

  • Artikel 5 §1 I Nr. 1, 2, 5 und 8 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen. 
  • Artikel 4 §2 des Gesetzes vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft.