Sitzung vom 14. Oktober 2021

Dekretentwurf zur Zustimmung zu dem Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, geschehen zu Brüssel am 2. Februar 2012, und zum Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, geschehen zu Brüssel am 27. Januar 2021 und am 8. Februar 2021

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet in zweiter und letzter Lesung den Dekretentwurf zur Zustimmung zu dem Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, geschehen zu Brüssel am 2. Februar 2012, und zum Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, geschehen zu Brüssel am 27. Januar 2021 und am 8. Februar 2021.

Der Ministerpräsident, Minister für lokale Behörden und Finanzen, wird beauftragt, den Entwurf im Parlament zu hinterlegen und das beschleunigte Behandlungsverfahren von Dekretentwürfen zur Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen (Artikel 64 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Parlaments der Deutschsprachigen Gemeinschaft) zu beantragen.

2. Erläuterungen:

  1. Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, geschehen zu Brüssel am 2. Februar 2012

Der ESM wurde durch den Vertrag vom 2. Februar 2012 gegründet. Er gewährt den Euroländern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter angemessenen Auflagen Stabilitätshilfe, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten notwendig ist.

Hierfür verfügt der ESM über verschiedene Instrumente:

  • Finanzhilfe in Form von Darlehen;
  • Vorsorgliche Finanzhilfe in Form einer Kreditlinie;
  • Zweckgewidmete Darlehen zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds sowie;
  • Ankauf von Staatsanleihen betroffener Euroländer am Primär- oder Sekundärmarkt;
  • Direkte Rekapitalisierung von Banken.

Zusätzliche Erklärungen sind der Begründung des beigefügten Dekretentwurfes zu entnehmen.

  1. Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, geschehen zu Brüssel am 27. Januar 2021 und am 8. Februar 2021

Der EMS Vertrag wurde durch ein Übereinkommen vom 27. Januar und 8. Februar 2021 abgeändert.

Die Abänderungen betreffen hauptsächlich folgende Aspekte:

  • die Schaffung einer gemeinsamen Unterstützungsfazilität für den einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, „SRF“);
  • die Weiterentwicklung der Finanzinstrumente des ESM;
  • die Ausweitung der Rolle des ESM;
  • die Stärkung der Schuldentragfähigkeit.

Zusätzliche Erklärungen sind der Begründung des beigefügten Dekretentwurfes zu entnehmen.

  1. Gemischter Charakter der beiden Abkommen

1. Bei dem Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus vom 27. Januar 2021 und 8. Februar 2021, handelt es sich um einen „gemischten Vertrag“ im Sinne von Artikel 167 §4 der Verfassung, wie die Arbeitsgruppe für Gemischte Verträge am 17. Oktober 2019 feststellte.

In seinen Gutachten 69.366/VR vom 8. Juni 2021 (über den entsprechenden Gesetzvorentwurf) und 69.585/1 vom 6. Juli 2021 (über den entsprechenden Ordonnanzvorentwurf) hat der Staatsrat in der Tat die Ansicht vertreten, dass die Gemeinschaften zumindest potenziell von den Vertragsabänderungen betroffen sein könnten.

2. Der ursprüngliche Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus vom 2. Februar 2012 war zunächst nicht als gemischter Vertrag, sondern als zur exklusiven Zuständigkeit des Föderalstaates gehörend, erachtet worden. Er wurde deshalb nur vom Föderalstaat ratifiziert, obschon der Staatsrat in seinem Gutachten 51.151/2-VR Bedenken über die exklusive Kompetenz des Föderalstaates geäußert hatte.

In seinen Gutachten 69.366/VR vom 8 Juni 2021 und 69.585/1 vom 6. Juli 2021 hat der Staatsrat seinen Standpunkt wiederholt. Er ist daher der Ansicht, dass die Gemeinschaften und Regionen sowohl dem Basisvertrag vom 2. Februar 2012 als auch dem Abänderungsabkommen vom 27. Januar und 8. Februar 2021 zustimmen müssen.

In ihrer Sitzung vom 13. Juli 2021 hat die Arbeitsgruppe für Gemischte Verträge sich dieser Meinung angeschlossen.

Die Überlegung bezüglich des gemischten Charakters des ursprünglichen Vertrags ist juristisch gerechtfertigt, aber rein formal. Die Tatsache, dass die Gliedstaaten sich mit dem gemischten Charakter des ursprünglichen Vertrages einverstanden erklären und diesen ratifizieren hat auf internationaler Ebene keinerlei Auswirkung, da dieser Vertrag bereits von Belgien ratifiziert wurde. Allerdings wird dadurch die interne Rechtssicherheit besser gewährleistet.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Der Dekretentwurf hat eine potenzielle finanzielle Auswirkung, die jedoch nicht bezifferbar ist.

4. Gutachten:

Das Gutachten des Staatsrates Nr. 70.228/1 vom 5. Oktober 2021 liegt vor. In diesem Gutachten hat der Staatsrat den gemischten Charakter  sowohl des ursprünglichen Vertrags vom 2. Februar 2012 als auch des Abänderungsvertrages vom 27. Januar 2021 und 8. Februar 2021 nochmals bestätigt.

Über den Text des vorliegenden  Zustimmungsdekretes hat der Staatsrat keine Bemerkungen formuliert.

Die einzige Bemerkung betrifft die Begründung des Entwurfs, die mit der Erklärung vervollständigt werden sollte, wie die Teilstaaten einbezogen würden in der Hypothese, wo Belgien eine Stabilitätshilfe beantragen würde und in dem diesbezüglichen Memorandum of Understanding („MoU“) den Teilstaaten Auflagen auferlegt würden.

Hierzu kann erklärt werden, dass in einer derartigen Hypothese die Angelegenheit in dem in Artikel 31 des Ordentlichen Gesetzes vom 9. August 1980 zur Reform der Institutionen vorgesehenen Konzertierungsausschuss geregelt werden müsste.

5. Rechtsgrundlage:

  • Sondergesetz vom 8. August 1980 über institutionelle Reformen, Artikel 16 §1
  • Gesetz vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft, Artikel 5 §1