Sitzung vom 15. Juli 2021

Dekretvorentwurf über das Pflegegeld für Senioren

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet in erster Lesung den Vorentwurf eines Dekretes über das Pflegegeld für Senioren.

Die Regierung beschließt, das Gutachten der Datenschutzbehörde zu beantragen.

Die Regierung beschließt, das Gutachten des Beirats für die Seniorenunterstützung zu beantragen.

Die Regierung beschließt, das Gutachten des Verwaltungsrats der Dienststelle der Deutschsprachigen Gemeinschaft für selbstbestimmtes Leben zu beantragen.

Der Vize-Ministerpräsident, Minister für Gesundheit und Soziales, Raumordnung und Wohnungswesen wird mit der Durchführung vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

Im Rahmen der sechsten Staatsreform wurde der Deutschsprachigen Gemeinschaft, unter anderem, die Zuständigkeit zur Gestaltung und Auszahlung der „Beihilfe zur Unterstützung von betagten Personen“ (BUB) übertragen.

Zurzeit erfolgen Berechnung und Auszahlung der Beihilfe auf Grundlage der bisher geltenden föderalen Regeln durch den FÖD Soziale Sicherheit im Auftrag der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Die Deutschsprachige Gemeinschaft wird zum 1. Januar 2023 die Ausführung der Zuständigkeit eigenständig übernehmen.

Durch die Zuständigkeitsübertragung hat die Deutschsprachige Gemeinschaft die Möglichkeit, diese Beihilfe zu reformieren. Im neuen Modell sollen das Anerkennungsverfahren und die Berechnung des Rechtes vereinfacht und transparenter werden. Dazu wurde ein neues Konzept mit einem neuen Berechnungs- und Zahlungsmodell für die Deutschsprachige Gemeinschaft ausgearbeitet.

Die Beihilfe wird auch weiterhin eine Geldleistung für Senioren sein, um die Kosten, die mit dem Verlust der Selbstständigkeit einhergehen, mitzutragen. Einkommensschwache Senioren werden weiter stärker unterstützt. Die Beihilfe wird dem Senior auch zukünftig in Form einer monatlichen Rente ausgezahlt. Dieses Geld steht ihm zur freien Verfügung und ist nicht an bestimmte Dienstleistungen gebunden.

Der Unterstützungsbedarf des Seniors bleibt ein essenzielles Kriterium zur Gewährung des Pflegegeldes. Zu dessen Bestimmung wird künftig der BelRAI-Screener, genutzt. Dies ist ein wissenschaftlich fundiertes Instrument, das eine globale Evaluation der Bedürfnisse einer Person in Bezug auf ihre Gesundheit ermöglicht. Der BelRAI-Screener wird durch die Dienststelle für selbstbestimmtes Leben (DSL) durchgeführt. Diese nutzt den BelRAI-Screener bereits für die Feststellung des Unterstützungsbedarfes und der Finanzierung der Unterstützungskategorien in den Wohn- und Pflegezentren für Senioren.

Ein festgestellter Unterstützungsbedarf eröffnet das Anrecht auf das Basispflegegeld. Für das Basispflegegeld werden verschiedene Kategorien anhand der Werte des BelRAI-Screeners definiert. Zusätzlich zu diesen Kategorien wird es eine weitere Kategorie für Senioren geben, die langfristig in einem Wohn- und Pflegezentrum für Senioren leben. Für jede der Kategorien wird ein fixer Geldbetrag definiert.

Um einkommensschwache Senioren besser zu unterstützen, gibt es die Möglichkeit eines Sozialzuschlags, der zusätzlich zum Basispflegegeld gewährt wird. Gewährungsbedingung für diesen Zuschlag ist die erhöhte Kostenrückerstattung seitens der Krankenkasse (EKE-Status).

Aktuell erfolgt eine Studie durch einen externen zur  Simulation der Entwicklung des Pfleggelds für die kommenden 15 Jahre sowie die eine Evaluation der vorgeschlagenen Aufteilung der Kategorien.

erarbeitet. Auf Basis der Ergebnisse dieser Studie wird die Aufteilung der Kategorien sowie die entsprechenden Beträge für die jeweiligen Kategorien und den Sozialzuschlag festgehalten.

Das Pflegegeld muss durch den Senior oder durch seinen Stellvertreter beantragt werden. Zur Bearbeitung des Antrags werden die nötigen Informationen eingeholt. Dies geschieht über das Antragsformular sowie über Datenflüsse der authentischen Quellen z.B. dem Nationalregister. Die Antragstellung wird so einfach und bürgerfreundlich wie möglich aufgebaut. Der Antrag wird innerhalb einer Frist von maximal 60 Tagen bearbeitet.

Das Recht auf Pflegegeld wird rückwirkend zum Datum der Antragstellung eröffnet, insofern zu diesem Zeitpunkt alle Gewährungsbedingungen erfüllt sind. Dies ist ein Unterschied zum alten System, in dem das Recht erst ab dem Folgemonat der Antragstellung gilt. Das Recht auf das Pflegegeld endet jedoch im Folgemonat, nach dem die jeweiligen Bedingungen nicht mehr erfüllt sind. Diese Regeln werden ebenfalls bei Veränderungen des Rechtes auf Pflegegeld angewandt. Ist die Veränderung zum finanziellen Vorteil des Seniors, gilt sie ab dem Monat, in dem die Veränderung stattgefunden hat. Ist die Veränderung zum finanziellen Nachteil des Seniors, so gilt sie ab dem Folgemonat der Veränderung.

Die Neuberechnung des Rechtes auf Pflegegeld kann auf Antrag des Seniors oder aber von Amts wegen erfolgen. Durch die Informationssammlung durch Datenflüsse, werden gewisse Veränderungen proaktiv weitergeleitet, sodass auch ohne Antrag des Seniors sein Recht neu evaluiert wird.

Um einen fließenden Übergang zu ermöglichen sowie dem föderalen öffentlichen Dienst Soziale Sicherheit die Möglichkeit zu geben, die Bearbeitung der offenen Anträge zu beenden, wird es eine Übergangsperiode von einem Monat (Dezember 2022) geben. Anträge, die zwischen dem 30. November 2022 und dem 31. Dezember 2022 eingereicht werden, werden im Januar 2023 nach neuem Regelwerk bearbeitet. Insofern alle Bedingungen erfüllt sind, wird das Recht dann wie im alten System im Folgemonat nach Antragstellung eröffnet. Da die Anträge, die im alten System eingereicht werden, erst im Folgemonat der Antragstellung ein Recht eröffnen, hat man sich für diese Übergangsbestimmung entschieden.

Des Weiteren erhalten Senioren, die im Dezember 2022 eine Beihilfe zur Unterstützung von betagten Personen erhielten, weiterhin den Betrag, auf den sie zu diesem Zeitpunkt Anrecht hatten. Der Betrag gilt als erworbenes Recht und wird solange ausgezahlt, bis der Senior aufgrund des neuen Regelwerks Anrecht auf einen vorteilhafteren Betrag hat. Diese Prüfung erfolgt automatisch auf Grundlage der vorliegenden Informationen und kann außerdem durch den Senior beantragt werden.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Bis zum 30. November 2022 wird im Rahmen der Übergangszeit der 6. Staatsreform die Beihilfe nach altem Regelwerk berechnet. Die Auszahlung durch den föderalen öffentlichen Dienst soziale Sicherheit zu Lasten der Deutschsprachigen Gemeinschaft erfolgt für alle Beihilfen bis zum 31. Dezember 2022. Im Jahr 2020 lagen die Auszahlungen an Begünstigte in der Deutschsprachigen Gemeinschaft bei 3.688.417,17 EUR. Dieses Budget geht zu Lasten des Haushaltsposten OB 17 Programm 50 Zuweisung 42.20. Die Kosten für die Aktenverwaltung verrechnet der Föderale öffentliche Dienst mit der DSL, die ihrerseits die Begleitung und die Organisation der Arztbesuche in deutscher Sprache, für den föderalen öffentlichen Dienst übernimmt. Es ist davon auszugehen, dass ab Januar 2023 die Zahlungen der DSL an den Föderalen öffentlichen Dienst sinken werden. Durch den Mehraufwand, den die DSL künftig auf Grund der Durchführung des BelRAI-Screeners und der Annahme der Anträge auf Pflegegeld haben wird, sollte keine Kürzung der Dotation der Deutschsprachigen Gemeinschaft an die DSL erfolgen.

Für das Pflegegeld für Senioren geht man ab dem Jahr 2023 mit Kosten in Höhe von 4.500.000 EUR aus. Diese werden über den OB 50 Programm 17 verbucht. Dazu wird ein neue Zuweisung 34.00 angelegt. Die Erhöhung der Ausgaben ist dadurch zu erklären, dass man durch die Veränderung der Zugangskriterien, der Vereinfachung der Antragstellung von einem Anstieg der Begünstigten im neuen System ausgeht. Außerdem spielt die Alterung der Bevölkerung und die damit einhergehende demographische Wandel eine Rolle. Dies besonders unter der Annahme, dass 13% der Zielgruppe einen Pflegegebedarf haben.

Die im Rahmen der Studie durchgeführten Simulationen werden weitere Informationen zur Entwicklung der finanziellen Auswirkungen in den nächsten 15 Jahren liefern können.

Hinzu kommen Kosten für zusätzliches Personal im Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft, dass sich um die Verwaltung und Aktenbearbeitung des Pflegegeldes kümmern wird. Dazu werden ab August 2022 ein Assistent und drei Sachbearbeiter eingestellt.

4. Gutachten:

Das Gutachten der Juristen des Fachbereichs Lokale Behörden und Kanzlei vom 8. Juli 2021 liegt vor.

5. Rechtsgrundlage:

  • Sondergesetz vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen Artikel 5 §1 römisch II Nummer 4 Buchstabe a).
  • Gesetz vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft, Artikel 4 §2.